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Unterwelt

Unterwelt

Titel: Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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nennt, ein Produkt von Borden's, das ist die Firma mit der Kuh, und die Farbabbildung zeigt einen gelblichen, hingequetschten Matsch, der widerlich auf einem Hot Dog schmilzt.
    Pokerface-Frank hält Gleason die Seite vor die Nase.
    »Hier. Kleine Verdauungshilfe.«
    Jackie sitzt da wie ein Flugzeugpassagier in einem Fallstrom. Die Seiten flattern weiter herunter. Babynahrung, löslicher Kaffee, Enzyklopädien und Autos, Waffeleisen und Shampoos und Blended Whiskeys. Fröhliche Zeiten, ein optimistischer Überfluß, der bis auf die Nachrichtenseiten vordringt, wo die Farmer der Nation eine Rekordernte melden. Und die strahlenden Waren, der Glanz eines neuen Packard-Modells, der sich im redaktionellen Beitrag über die Kunstschätze des Prados wiederholt. Es gehört alles zu ein und derselben Sache. Rubens und Tizian und Playtex und Motorola. Und da ist ein Foto von Sinatra höchstpersönlich, in einem Nachtclub in Nevada mit Ava Gardner, guck dir bloß ihren Ausschnitt an. Frank wußte gar nicht, daß er diese Woche in Life war, bis die Seiten vom Himmel fielen. Er hat Leute, die dazu da sind, ihm so etwas mitzuteilen. Er behält die Seite und greift nach einer anderen, um sie Gleason ins Gesicht zu klatschen. Da hast du eine Budweiser-Werbung, Kumpel. In einem Land, das es eilig hat, die Zukunft zu schaffen, sind die Namen, die sich mit den Waren verbinden, eine bleibende Beruhigung . J ohnson & Johnson und Quaker State und RCA Victor und Burlington Mills und Bristol-Myers und General Motors. Das sind die verehrten Embleme der prosperierenden Wirtschaft, leichter zu erkennen als die Namen von Schlachtfeldern oder toten Präsidenten. Nicht daß Jackie in der Stimmung wäre, ein Magazin durchzublättern. Er ist in tiefer Reglosigkeit versunken, ranziger Schweiß bricht ihm aus, und er hat den Vorgeschmack massiver innerer Verwerfungen im Mund.
    Branca macht seinen letzten Aufwärmwurf und dreht die Hand, um einen Kurvenball anzudeuten. Unabhängig von den Details in Haltung oder Auftreten: der gewichtige Körper im Ruhezustand. Dort auf dem Werferhügel ist er stark und locker, mit geschmeidig schneidendem Armschwung, ein Mann, der den Ball will.
    Furillo schaut vom rechten Außenfeld her. Ein in Stein gemeißeltes Profil.
    Der Mann mit den buschigen Haaren tigert immer noch zwischen den billigen Plätzen auf und ab, stöhnt und schüttelt den Kopf – hol doch einer die Männer in den weißen Jacken, daß sie ihn rausschaffen. Er führt Selbstgespräche, kopfwackelnd wie ein Straßeneiferer, der Künder einer fernen Plage, die immer näher rückt. Hinsetzn, Halliklappe, rufen sie ihm zu.
    Frank klatscht Gleason weiter Seiten ins Gesicht.
    Er befiehlt: »Aufessen, Kumpel. Papier reinigt den Gaumen.«
    Einsatz Thomson.
    Der aufgeschossene, flinke Schotte. Er betet es sich immer wieder vor, während er neben der Home Plate für einen festen Stand sorgt. Guck auf den Ball. Wart auf den Ball.
    Russ umklammert das Mikro. Warmes Wasser und Salz. Gurgeln, sagte seine Mutter.
    Thomson weiß nicht recht, ob er alles deutlich sieht. Seine Augäpfel sirren. Er hat so ein Gefühl im Körper, er verschanzt sich, macht es sich in seiner Haltung bequem, der Lärm der Menge verhängt den Himmel, und dann dieses Gefühl, daß er die Verbindung zu seiner Umgebung verloren hat. Allein in diesem ganzen Tohuwabohu. Guck auf den Ball. Paß auf und warte. Er ist, ehrlich gesagt, etwas beduselt, unser Bobby. Wie beim ersten Moment des Aufwachens am Morgen, und du weißt nicht, in wessen vier Wänden du bist.
    Russ sagt: »Jetzt schlägt Bobby Thomson zu.«
    Mays, auf einem Knie in Warteposition, halb auf seinen Schläger gelehnt, den er umschlungen hält, und er beobachtet Branca, wie er gewaltig Schwung holt, Klick-Klick, Drücken-Ziehen, denkt, wenn Thomson versagt, muß er alles ausbaden, die ganze Saison auf seinen Schultern, und das Gedudel spielt in seinem Kopf, die Radio-Umarmung der Luft, das Mosaik der Luft, und im richtigen Moment wird es sich von selbst abschalten.
    Unter den Tribünen ist eine Erste-Hilfe-Station, und der Stadionpolizist muß es irgendwie hinkriegen, den kranken Mann da runter zu schaffen, ohne von einer wildgewordenen, trampelnden Menge überrannt zu werden. In Anbetracht der Umstände sieht das Opfer ganz anständig aus. Sitzt da, wartet auf die Helfer mit dem Rollstuhl. Na schön, vielleicht sieht er doch nicht so gut aus. Er sieht blaß, krank, verängstigt und infarktgetroffen aus. Eine Faust ballen und die

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