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Unterwelt

Unterwelt

Titel: Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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Risikospekulant, mit seinem eigenen Geld und dem anderer Leute, und ein Segler, wir sind manchmal wochenlang am Stück gesegelt, er schwor auf seine Yacht. Das war das Beste an unserer Ehe. Solange wir zusammen die Ketsch hatten, paßte alles zusammen. Er hatte eine Ketsch, die er Hochfinanz taufte.«
    »Du auf einem Boot?«
    »Wir wußten, daß wir zusammenarbeiten mußten. Wir mußten auf engstem Raum zusammenleben. Abwechselnd am Steuer, in der Kombüse, gemeinsam im Bug, die Ausrüstung unterbringen, die Taue aufrollen, Ordnung unter den Dingen halten . J a, ich auf einem Boot. Wir waren diszipliniert. Wir haben das Boot und die Elemente respektiert. Und eine ziemlich gute Ehe geführt, solange wir an Bord waren.«
    Sie gingen zum Loft hinüber. Ein Einkaufswagen aus dem Supermarkt stand mitten auf der Straße, und die Autos fuhren drum herum, und ein Mann tauchte aus dem Schatten einer Laderampe auf und flehte murmelnd Jesus an.
    Sie teilten sich einen Joint und schauten sich die Kurznachrichten an, den winkenden Nixon im Fernsehen.
    »Acey hat mir erzählt, auf einer Party hätte sie einen Mann gefragt: ›Was wollen Männer wirklich von Frauen?‹ Und er sagte: ›Daß sie einem einen blasen‹, und sie darauf: ›Das könnt ihr auch von Männern kriegen.«‹
    »In einem halben Jahr wird Acey zu berühmt zum Leben sein«, sagte Miles. »Jemand wird sie beim Verlassen einer Disco ermorden.«
    Es war noch nicht ganz der richtige Zeitpunkt, um wieder zu arbeiten, aber allmählich war es so weit. Irgend etwas unter ihrer Haut setzte zu einem furchtsamen Sprung an, ein Bedürfnis, die Hände zu gebrauchen, zu gestalten, nur war es eigentlich noch tiefer – ein so umfassendes Bedürfnis, daß sie allein in ihrem Loft sitzen und sich ein bißchen davor gruseln konnte.
    »Ja, beim Verlassen einer Disco«, sagte sie. »Und dann wirst du mit mir dort tanzen gehen wollen.«
    Ihre Mutter nahm sie mit in die Innenstadt, sie und ihre beste Freundin Rochelle, und sie aßen im Automatenrestaurant nicht weit vom Times Square zu Mittag, die Frontfenster waren aus Buntglas, und die Milch kam aus dem Maul eines Bronzefisches. Sie beobachteten das Matineepublikum auf dem Weg ins Theater, und ihre Mutter lästerte über die Hüte der Damen. Sie sahen sich Schaufenster der besseren Geschäfte an. Ihre Mutter nahm sie in Luxushotels und Bürogebäude mit, marschierte schnurstracks mit ihnen hinein und zeigte ihnen die Zierfiguren und Gravuren in den Eingangshallen, die Holzschnitzereien auf den Fahrstuhltüren. Und sie standen vor einem Wolkenkratzer auf der Fifth Avenue, es war wohl 1934, die Japaner hatten sich in der Mandschurei verschanzt, und sie schauten an der Fassade des Gebäudes hoch und schlenderten durch die hochglanzpolierte Eingangshalle, dies war das Fred-F.-French-Building, was die Mädchen faszinierte, denn wer um alles in der Welt war Fred F. French, und Klaras Mutter, die viel wußte, die bei der Wohlfahrt arbeitete und Kinderpsychologie studierte, die alle wichtigen Ereignisse verfolgte und sich über China Sorgen machte, die diese Ausflüge systematisch plante, sie hatte keine Ahnung, wer Fred F. French wohl sein mochte, und das faszinierte die Mädchen noch mehr, faszinierte sie und machte ihnen Spaß, sie waren dreizehn und vierzehn, und alles machte ihnen Spaß. Sie fuhren mit der Third-Avenue-Hochbahn nach Hause, rappelklapperten Manhattan hoch und durch die Bronx, schauten aus den Zugfenstern in die Mietwohnungen auf beiden Seiten, filmflimmernde Leben schössen zu Hunderten an ihren Augen vorbei, zwölf Meter über der Straße, und Rochelle erspähte mal einen Mann im Unterhemd, der sich verstrubbelt aus dem Fenster beugte, und sagte dann, Vielleicht ist das ja Fred F. French, er hat gerade eine Pechsträhne, haha, und das war's dann – sagte Klara zu Miles, sie lagen im Loft im Bett und spielten Karten –, und drei oder vier Jahre später verließen die Mädchen einen Tanzabend der High School, mit zwei Jungen, die nicht mal auf ihre Schule gingen, Eindringlingen aus dem Norden, und die vier hockten sich am dunklen Ende der Straße bei irgendwem ins Auto und pafften ein paar Zigaretten und redeten und schmusten und knutschten und fummelten. Klara und ein Junge saßen eingekeilt auf dem Vordersitz, und Rochelle hatte den anderen Jungen auf dem Rücksitz, wo mehr Platz war, und die mannstolle Rochelle züngelte und schlängelte ihnen da was vor, daß die Polster nur so qualmten, sie hatte einen ganz

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