Unterwelt
Schwanz in der Hand und blies ihm irgendwann einen, wann immer das war, ein paar Tage später oder Wochen, ja, zu diesem Akt kam es. Ismael ging danach ziemlich oft nach unten und tat sich selber leid, stieg durch einen Zaun beim West Side Highway und in eine Öffnung eines vergitterten Notausgangs und die schmalen Stufen in den Gütertunnel hinunter, wo sie Bücherregale hatten, einige jedenfalls, und Weihnachtsschmuck, und sie benutzten halbe Namen und Codenamen, Kürzel, wie die Graffitimaler sie später auch entwickelten, und in Wahrheit sieht die Sache so aus, daß er weiterhin da runtergeht, um es mit Männern zu treiben, denn es gibt Gewohnheiten, die läßt man bleiben, und andere, auf die ist man mit der Zeit angewiesen.
Der Zug fuhr am City College vorbei und schwenkte dann ostwärts.
Sie machten es rumpelpumpel im Dunkeln. Oder sie gingen in einen Kabelraum und machten es mit Laken und Handtüchern. Sie hielten Haustiere da unten und zogen Wäscheleinen durch den Tunnel und zapften Strom von der Regierung ab.
Bop, Bebop. Und daß Bird mit vierunddreißig tot war.
Und er saß da in seinem Khakilotter, stierte zwischen seine Füße, spähte auf die Füße gegenüber, all diese gekerbten und verdellten Schuhe, die nicht wie Gegenstände aussahen, die jemand kaufte und trug, sondern mehr wie feste Bestandteile, Körperteile, nicht zu trennen von den Männern und Frauen, die da saßen, denn die U-Bahn versiegelt einen dauerhaft im Stein des Augenblicks.
Der Zug fuhr in die Bronx ein, und vier Stationen später stieg er aus, am Ende der Linie, wo ihn seine Crew treu erwartete.
Sie waren zu dritt, zwölf, elf und zwölf Jahre alt, und sie hatten den Tag damit zugebracht, Farben aus Eisenwarenläden zu klauen, ein Zeitvertreib, Ladendiebstahl, da steht Ismael schon lange drüber.
Sie stiegen den steilen Hügel in der 242. Straße hoch.
»Wo ist der Regen?« fragte Ismael.
»Nix los«, sagten sie.
»Hör den ganzen Tag im Radio nur Regen. Dachte mir, heut nacht wird nicht gearbeitet. Steht zehn zu eins dagegen.«
»Nix los«, sagten sie. »Zwei, drei Tropfen.«
Sie hatten die Farbspraydosen in drei Sporttaschen. Sie hatten Ismaels Skizzen in einem Papphefter. Sie hatten eine Papiertüte mit Pfirsichen und Weintrauben in einer Plastiktüte. Sie hatten das französische Mineralwasser, das er gern bei der Arbeit trank, ebenfalls bei der kleinen Diebstahlswelle des Tages besorgt, Perrier, in hübschen grünen Flaschen. Er hielt was davon, bei jeder sich bietenden Gelegenheit zur Elite überzuwechseln. Sie hatten Düsen für die Spraydosen. Sie hatten Hauptschlüssel, um die Wagen zu öffnen, falls er drinnen arbeiten wollte, was aber nicht der Fall war.
Seine Crew bestand natürlich aus Hoffnungsvollen. Vielversprechenden Graffitimalern der Zukunft. Sie klauten für den Meister. Sie standen Schmiere, während er malte. Sie kreuzten die Arme, um sein Gewicht zu halten, wenn er an den oberen Teil eines Wagens rankommen mußte.
Ein Maschendrahtzaun lief an der Straße entlang, oben mit NATO-Draht gesichert. Die Crew hielt am westlichen Ende des Zauns an, wo es einen Abschnitt mit durchgezwickten Maschen gab, hinter rankendem Giftsumach verborgen. Sie hielten den Zaun auseinander, und Ismael schlüpfte hindurch und war mit einem Sprungschritt auf dem angrenzenden Dach. Da stand eine Reihe von Geräteschuppen mit Sägedächern. Sie gingen zum letzten Dach und kletterten an den Regenrinnen hinunter bis zu den Holzplanken, die auf gleicher Höhe mit den Gleisen waren, das konnten sie alle inzwischen im Schlaf, dann begannen sie, sich nach einem geeigneten Zug zum Signieren umzuschauen.
Sie wußten so ziemlich im voraus, daß sie keiner stören würde. Es gab zu viele Züge und zu viele Graffitimaler. Die Stadt konnte sich all das Wachpersonal gar nicht leisten, das nötig gewesen wäre, um die ganze Nacht über die Depots und Rangiergleise zu kontrollieren.
Bei einem Beleuchtungsturm sahen sie Rimester, er war einer der älteren, ein schwarzer Bursche mit Kufi-Käppchen, der Wahnsinnsgraffiti machte, das mußte Ismael zugeben, fensterabwärts, wild style window-downs – die Buchstaben mit Liebesgedichten und Herzschmerzgefühlen verziert.
Sie erwiesen einander zeremoniellen Respekt, mit genauen, ausführlichen Floskeln beim Händeschütteln und in den Redewendungen, und sie quatschten über dies und das, und dann beschrieb Rimester, wie er sechs seiner Wagen unter der Säuredusche gesehen hatte, in dem
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