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Unterwelt

Unterwelt

Titel: Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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es sei denn, der Zug, von dem du sprichst, ist voller Leute, die ein bißchen komisch sind, na sagen wir mal, im Kopf.
    Der Mädchenname ihrer Mutter war Soloveichik.
    Er sagte, Es geht nicht darum, ob der Name leicht oder schwierig ist. Sondern welche Buchstaben es sind. Diese ganze Sache mit dem c-h.
    Ihre Mutter sagte, Welche ganze Sache?
    Und ihr Vater gab einen Laut von sich, den Klara nicht vergessen sollte. Sie dachte in den Jahren, nachdem er ihn von sich gegeben hatte, oft darüber nach. Er machte ein Geräusch, einen harten, gutturalen Laut, der hinten im Mund erzeugt wurde, klappernd und metallisch, voller Groll, und zuerst dachte sie, er hätte die Karte drucken lassen, weil er nicht wollte, daß ihn jemand irrtümlich für einen Deutschen hielt, und dann dachte sie, er hätte sie drucken lassen, weil niemand erfahren sollte, daß er Jude war.
    Menschen in Zügen. Geschäftsleute mit eigenen Visitenkarten und Rasierzeug und reservierten Abteilen in den wichtigsten Zügen, die von der Grand Central Station abfuhren.
    Und wie seltsam, welche Entfernung er zurücklegen wollte, weg von dem kratzenden Laut jenes c-h mit seinen weitgespannten Bezügen, seiner gutturalen Geschichte und Kultur, jenen schweren Flurgerüchen und Akzenten – von dort zu dem unbekannten x, dem Zeichen von Mister Anonymus.
    Diese Änderung forderte Klaras Loyalität heraus, gerade weil sie keinen praktischen Sinn ergab, weil sie die Gehirnwindungen einer bestimmten Qual offenbarte.
    Ihr Vater hatte früher in einem Kaufhaus an der Kasse gestanden. Danach wurde er Versicherungsvertreter, der auf Kommission in den trostloseren Ecken der Bronx arbeitete. Sie gaben ihm die Negerviertel und die chinesischen Wäschereien und die Einwanderer von egal woher, frisch vom Schiff. Eine Zeitlang malte er Schilder, Firmennamen auf mattierten Glastüren, trug Blattgold mit einem Zobelhaarpinsel auf, was er gut machte, aber haßte.
    Es ist nur eine Geschäftskarte, sagte er. Ich bin doch nicht zu einem Richter gegangen und habe meinen Namen ändern lassen.
    Auf meinen Grabstein kannst du nach Herzenslust die richtige Schreibweise gravieren lassen.
    Ihre Mutter sagte, Warum habe ich nie erfahren, daß du ein Instrument spielst?
    Und als Klaras Scheidung von Albert endgültig war, änderte sie ihren Namen von Bronzini in Sachs, legte aber Wert darauf, es mit x zu schreiben, und sei es nur in der Öffentlichkeit, als werdende Künstlerin – so signierte sie ihre Werke.
    »Ja, na ja, vielleicht stimmt das. Siebzehn, das ist schon ein Mann«, sagte Klara. »Und ich habe mich gefragt, war die Sache etwa wichtiger, als ich mir eingestehen wollte?«
    »Mit anderen Worten, hat sie dir einen Ausweg gezeigt?«
    »Ob sie mir einen Ausweg gewiesen hat?«
    »Worüber du damals nicht nachdenken wolltest.«
    Acey wollte keinen Drink mehr, und Klara hatte noch ein halbes Glas Wein übrig, und sie verplauderten den ganzen Nachmittag, an einem jener leeren Sommertage in einer dunklen, leeren Bar.
    »Er schien es auch selber nicht allzu wichtig zu nehmen. Ich fand, er war bemerkenswert unverwirrt und blieb ziemlich gut auf Kurs, hatt ich den Eindruck. Mein zweiter Mann hat eine Jacht gesegelt und blieb überhaupt nicht gut auf Kurs, und ich weiß gar nicht, wieso ich jetzt davon anfange.«
    Sie lachte und nippte an ihrem Wein.
    »Er trank Tanqueray-Martini, also Jason jetzt. Jedesmal, wenn wir nach Maine fuhren, nahm er eine Flasche Tanqueray mit, oder sogar ein paar, nehm ich an. Den Vermouth durften wir vergessen, aber nicht den Gin, und den Vermouth haben wir auch nicht vergessen, und ich bin immer sehr gern da raufgefahren, aber manchmal hab ich mich absolut losgelöst von allem gefragt.«
    »Wie es passieren konnte.«
    »Wie konnte es passieren, daß ich einen Mann geheiratet habe, der sagt, was er sagt, und denkt, was dieser Mann denkt?«
    »Und Martinis trinkt«, sagte Acey.
    Sie sprachen von anderen Dingen. Sie sprachen von der Arbeit.
    »Verstehst du, Marilyn haßte es, Marilyn zu sein. Aber Jayne fand es klasse«, sagte Acey. »Sie war dazu geboren, Marilyn zu sein. Sie lebte in einem rosa Palast mit einem beachtlichen Zoo. Und wie diese Dinge so laufen, wird die Billig-Sex-Königin berühmt und immer berühmter, und am Ende ist sie die meistfotografierte Frau der Welt.«
    »Und wie ist sie gestorben?«
    Acey senkte den Kopf auf die Brust, verdoppelte ihr Kinn und machte die Stimme eines Südstaaten-Sheriffs nach. »Fuuurchtbarer Autounfall. Wie Jimmah

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