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Unterwelt

Unterwelt

Titel: Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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Dean.«
    »Malst du das Autowrack?«
    »Nein, ich will eine Jayne mit einer lebendigen, bedrohlichen Präsenz. Eine fettige Wasserstoffsuperoxyd-Blondine, ich sage dir. Ständiger Ausfluß auf allen Etagen. Eine Frau, bei der es einfach heftig fließt. Atom-Jayne.«
    »Zeig's mir, wann immer du so weit bist«, sagte Klara, und die Sonne war an einem nahegelegenen Gebäude vorbeigezogen und brannte wieder auf die Straße.
    »Du machst dir zuviel Sorgen«, sagte Acey. »Du machst dir Sorgen über die Arbeit, an der du nicht sitzt, weil du zutiefst glaubst, dich rechtfertigen zu müssen. Ich glaube, innerlich bist du ständig dabei, dich zu rechtfertigen. Und du machst dir auch Sorgen über deine bisherige Arbeit, denn wenn man bedenkt, was du aufgegeben und weggenommen hast, welchen Schaden du angerichtet hast, wenn wir die Sache beim Namen nennen wollen, Kindchen, dann mußt du schon sehr davon überzeugt sein, daß deine Arbeit gut genug ist, um das zu rechtfertigen.«
    Sie zahlten.
    Acey legte der älteren Frau die Hände auf die Schultern und drückte zu, sozusagen macho-mütterlich, und der Barkeeper brachte das Wechselgeld.
    In Sagaponack trug Esther Safarikleidung und telefonierte.
    Beim Frühstück sagte sie zu Klara: »Wer schneidet dir die Haare? Ist der Massenmörder schon verhaftet worden, der dir die Haare schneidet?«
    Bei irgendwem zu Hause sprach Klara mit einer Frau, die sie von früher kannte, wie sich herausstellte, eine Malerin aus den frühen Tagen, aus den Fabriketagen am East River beim Fähranleger, wo Klara nach ihrer Scheidung lebte, mit Behelfsdusche und ohne Herd, fünfzig Dollar im Monat, und Maler und Bildhauer kennenlernte, Leute, die mit gefundenen Materialien arbeiteten, und die Straße war mit alten, früher vielleicht als Ballast dienenden Steinblöcken gepflastert, und manchmal versammelten sie sich auf dem Dach, drei oder vier Maler und eine Gattin oder ein Gatte und ein paar Kinder und ein Hund, den irgendwer für jemand anderen hütete, und die zwei Frauen erinnerten sich daran, daß Klara nie auf dem abschüssigen Teil des Dachs saß, auf der Teerpappenfläche, die zum Rand hin abfiel, weil sie Angst vor Rändern hatte, und ein Hauch von Seefahrten und neuen Projekten hing in der Luft, und nördlich vom Dach gelegen, zwischen dem Dach und der großen Brücke, türmte sich die vielflächige Masse von downtown-Manhattan.
    Der Wind blies Tag und Nacht, und Jack sagte: »Ich bin mir ziemlich sicher, das ist Dingsbums da drüben, der früher mit der Papiertütenfrau verheiratet war. Ein Riesenskandal. Sie war die Papiertütenerbin, und ich saß neben ihr beim Abendessen – das war, so wahr mir Gott helfe, vor fünfundzwanzig Jahren. Esther weiß, von wem ich rede. Es war ein Riesenskandal. Esther, hilf mir doch mal.«
    Die Sache mit Jack war, daß er betrunken klang, wenn er es gar nicht war, und dann wieder wunderbar sinnvoll und höflich sprach, wenn er hackebreit war.
    Sie saßen in einem kleinen Kellerlokal in Chinatown und aßen breite Nudeln, sehr schmackhaft, chow fun oder chow fon, die Speisekarte war bekleckert – ein Laden mit Resopaltischen und bekleckerten Speisekarten und ohne Schankkonzession, und Miles hatte einen Minzzahnstocher im Mund.
    »Ich muß dir einen Film zeigen, du wirst mich deshalb hassen, wegen des Films.«
    »Dann kann es ja wohl nicht Normal sein«, sagte sie.
    »Wir haben ungefähr elf Stunden in Normal gedreht. Sie war unermüdlich, diese Frau, weil sie so geboren wurde. Sie kommt rüber wie ein Naturgesetz, aber ich weiß immer noch nicht, was wir da haben. Könnte auch Schrott sein.«
    »Und in der Zwischenzeit.«
    »Du wirst diese andere Sache hassen, aber es kommt gar nicht in Frage, daß du das nicht siehst, denn du mußt es sehen.«
    Er kam Klara in vielerlei Hinsicht entgegen, manchmal subtil, manchmal nicht, und provozierte harmlose Streitfälle, die er unmöglich gewinnen konnte, forderte ihre Stärke durch bestimmte Themen heraus, was sie hätte ärgern sollen, es aber nicht tat, ansonsten war er rücksichtsvoll, hatte ihre Zigaretten dabei und half ihr durch Reden über die schlafende Periode ihres Schaffens hinweg, eine Zeit kleiner Verzweiflung.
    Er hatte seine Erkältung, die war immer da, die Stimme ein bißchen belegt, die Augen von Medikamenten getrübt, und nach Aceys Vernissage gingen sie alle irgendwo in eine Disco, und sie beobachtete Miles und Acey beim Tanzen, sie sahen absolut toll zusammen aus, wie merkwürdig, denn es war

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