Unterwelt
Telefon greifen, ganz genau. Irgendwer ist da am anderen Ende.«
Ringsum auf den Dächern der Brownstone-Häuser waren Dachfenster und hohe Schornsteine mit spitzen Kappen und neuen Metalleinzäunungen, die über den Dachrand hinausragten, um katzengleiche Einbrecher abzuschrecken.
Und spät in der Nacht erwachte sie in ihrem Loft und dachte, sie wäre woanders – nicht irgendwo anders, sondern an einem Ort, der ihr unbekannt war, denn selbst nach mehreren Jahren hier konnte sie nicht ohne das Gefühl erwachen, sie befinde sich in einem fremden Raum, noch im Traumraum. Die Höhe und Weite des Lofts, die Säulen und hohen Fenster entstammten einem frühen, nicht unbedingt alptraumhaften Traum eines Kindes, das sich am Rand eines Zimmers befindet, oder eines Kindes, das von dem Zimmer träumt, aber nicht selbst darin ist – ein Zimmer, das am einen Ende surreal offen ist, wo das Kind steht oder der Traum einsetzt, ein Zimmer, wo die Dinge, wo die Gegenstände Stuhl und Vorhang und Bett heißen, aber auch vollkommen anders sind, nicht gestützt von den üblichen Sicherheiten, und sie drehte sich im Bett um und weckte Miles.
Sie gingen zum Fulton-Fischmarkt, und Miles machte Fotos, es war vier Uhr morgens, von einer Reihe riesiger Schwertfische, die auf das Pflaster gekippt worden waren, wahrlich ein Epos des falschen Ortes, diese großen Meereswesen auf einer New Yorker Straße gestrandet, und dann fanden sie einen Diner, der die ganze Nacht offen hatte, und bestellten Eier mit Speck und Kaffee. Miles wollte über Acey Greene reden.
»Dieses Zeug, das sie macht. Du weißt doch, was sie macht, oder? Eine Serie über die Black Panthers. Noch mehr Unrat auf schwarze Männer.«
Sie ließ ihn reden.
»Du überschätzt sie um ungefähr zweihundert Prozent. Ihr Zeug ist alles nur Show. Nur ein Fitzelchen besser als totale Scheiße. Du mußt noch mal hinschauen. Es ist alles Oberfläche. Sie beliefert, sie bestärkt die Weißen und ihre Vorstellungen von den angsteinjagenden Schwarzen.«
Klara merkte, daß sie bei all ihrem Lob für Aceys Arbeit die ganze Zeit auf jemanden gewartet hatte, der anderer Meinung war. Nun war es soweit. Der Moment lag ihr in einem Kloß mit Eigelb und Roggentoast im Magen.
»Du weißt doch, wie das läuft. Sie hat von dir gekriegt, was sie wollte. Zustimmung, Werbung, was auch immer. Und jetzt schmiert sie andere Räder.«
Klara saß in merkwürdigem, nachdenklichem Schweigen da. Sie wollte, daß er weiterredete. Sag es alles, ob es stimmt oder nicht. Sie fühlte sich absolut kleinlich, fand aber, an seinem Urteil über Aceys Werk sei vielleicht etwas dran. Er hatte nützliche Intuitionen über Kunst. Das gehörte natürlich zu den Dingen zwischen ihnen, die Art, wie er sich vor eine ihrer Arbeiten stellte und sie mit ein paar treffenden Worten und seiner allgemeinen Offenheit für das Objekt wissen ließ, daß er begriff, was sie vorhatte.
»Sie ist begeistert von den Hausschuhen«, sagte er.
»Sie ist begeistert von den Hausschuhen. Wovon reden wir eigentlich? Ach so, deine Mutter.«
»Sie ist begeistert von den Hausschuhen.«
»Sie ist begeistert von den Hausschuhen. Gut. Das freut mich.«
Oder vielleicht könnte man den Fall so beschreiben. Er hatte absolut nicht recht, was Aceys Werk betraf, aber vielleicht wünschte sie, er hätte recht.
In Sagaponack warf sie ihre Tasche ins Gästezimmer und ging Maler besuchen, überall in der Gegend. Sie malten in Hütten, weißgekälkten Ateliers und renovierten Kartoffelscheunen, und sie ging meistens allein hin, lieh sich Esthers Wagen aus, denn Esther war am Telefon und versuchte, mit Hausbesitzern und Anwälten zu verhandeln.
Beim Abendessen wurde Jack schwindlig, er legte sich aufs Sofa, und der Abend verlief mehr oder weniger um ihn herum.
Sie stand im Sand und beobachtete die Wellen, wie sie sich aufbäumten und dann strandwärts schmiegten.
Sie rief Miles an, der am nächsten Tag nach Normal, Illinois, aufbrach.
Sie traf einen Bildhauer mit einem Gesicht voller geplatzter Äderchen, Engländer, seine Frau lag im Sterben, und sie führte ein langes Gespräch mit ihm, eine absolut intensive Unterhaltung darüber, wie die Arbeit einen als unzulänglich bloßstellt, Schicht um Schicht, und sie trösteten sich gegenseitig, als ihnen aufging, daß man solche Dinge teilen kann, ganz gleich, wie einzigartig sie einem vorkommen. Und sie umarmten einander, als Klara ging.
»Du siehst in letzter Zeit sexy aus, wußtest du das?« sagte
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