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Unterwelt

Unterwelt

Titel: Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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kannst.«
    Und einmal hielten wir bei ein paar Ställen an, und sie versuchte, mir das Reiten beizubringen, aber ich stieg auf und gleich wieder ab und wollte nicht wieder aufsteigen, und sie ritt mit dem Indianer davon, der die Reitausflüge leitete, in die kühlen Hügel.
    Sie sagte: »Und was ist daran falsch?«
    »Ich mein ja nur.«
    Sie sagte: »Jede Minute auszupressen. Was ist daran falsch?«
    »Ich mein ja nur.«
    »Und ich habe dir noch nicht alles erzählt. Also bitte keine Anklagen«, sagte sie.
    »Du hast mir alles zweimal erzählt.«
    »Du bist so ein Dreckskerl.«
    »Erzähl mir was, das du mir noch nicht erzählt hast. Na los. Schockier mich«, sagte ich. »Du schockierst mich nicht.«
    Sie konnte Dinge machen und reparieren, und sie redete gern von der Familie Brookhiser, den Großeltern und Pioniersfrauen und Goldwäschern und all den weitverstreuten Nachkommen des alten, zerklüfteten Stammes.
    Und einmal übernachteten wir bei ihrem ältesten Bruder, einem Architekten, wo wir in getrennten Zimmern schliefen – sie schien überall Brüder zu haben. Dieser hier lebte in der Nähe von Yuma in einem asymmetrischen Haus, das er selbst gebaut hatte, effektvoll abgeschrägt, aus Eisenbahnschwellen und Stuck und gestanztem Blech, und Amy war sehr aufgekratzt, als sie das Ding aus den Augenwinkeln betrachtete.
    Wir waren teilweise überdreht vom Fahren und redeten einen halben Staat lang so ziemlich nonstop aufeinander ein, es war einer der größeren Staaten, und wir erlebten die Chemie einer ganzen, langen, brutalen Ehe in wenige Wochen hineingepreßt, dieses Schwirren in der Luft, wenn etwas ungeregelt bleibt, und wir hatten auch das Gefühl, es wäre falsch zu schlafen, weil wir doch etwas Furchtbares und Wichtiges hätten sagen können.
    Und einmal fuhren wir über einen Feldweg irgendwo bei Ruby, Arizona, und sahen vier Männer, die zu Pferd einen Bullen trieben, einen buckligen Bullen von erstaunlicher Größe, fast unwirklich, und wir hielten nicht nur an, um zuzuschauen, und nicht nur, weil wir dachten, vielleicht würde der Bulle auf ein fahrendes Auto losstürmen, sondern aus einem merkwürdigen, heidnischen Respekt heraus, es war ein so ehrfurchtgebietendes Tier, ein Brahmanbulle, und die Cowboys winkten und trieben den Bullen über den roten Feldweg.
    »Ich habe innerlich oft solche Wutanfälle«, sagte sie, »du würdest mich hassen, wenn du von diesen rasenden Achterbahnen aus Sex und Eifersucht und Trotz wüßtest, und wie ich jemandem, der mir nahe steht, die schlimmsten Qualen und einen langsamen Tod wünsche.«
    »Erzähl mir davon.«
    »Nee, erzähl ich dir nicht. Nicht mal dir. Vor allem nicht dir.«
    »Ich möchte aber, daß du es mir erzählst.«
    »Mach ich aber nicht, es sei denn, du zwingst mich«, sagte sie.
    Amys Verhalten hatte manchmal etwas Davontänzelndes. Sie hatte so eine rituelle Angewohnheit, einen Reflex, nicht geziert, sondern argwöhnisch und listig, daß sie sich von mir zurückzog, je mehr sie mich brauchte, davontänzelte mit ihren hellen Augen, und ihre Schultern krümmten sich, wenn ich näher kam. Sie konnte launisch sein, selbst mittendrin, fast so, als wollte sie vorgeben, daß wir gerade etwas ganz anderes täten, was weiß ich, vielleicht Händchen auf einem Schulkorridor hielten, und manchmal wies sie mich einfach ab und sagte, Nein, kannst du nicht, oder, Nein, mach ich nicht, auch wenn wir uns schon längst auf den Sitzen rekelten und vögelten.
    Ich dachte, gleich würden unsere Gesichter aufflammen und verschwinden, in jener Nacht Mitte Juni, als wir die engen Treppenstraßen von Bisbee, Arizona, hochstiegen, im Liebesschock, quasi selbsttätig ausgelöscht, nach einem Bier und einem Sandwich in einer dunklen Bar voller Kumpel aus den Kupferminen und ihren fadenwurmkranken Hunden. Ich hatte nicht gewußt, daß man so etwas fühlen konnte, und dann auch noch gemeinsam, unsre Köpfe halb weggepustet, unsre Hirne ausgeleert, für alles verloren außer der Liebe.
    Sie sagte: »Ich weiß, was du tust. Du bleibst wach und beobachtest mich im Schlaf.«
    »Wann schläfst du denn?«
    »Du willst zuviel. Du willst im Grunde in mich hineinkriechen. Du willst deinem Schwanz einfach hinterher. Hätt ich das je gedacht?«
    »Fahr.«
    »Nein, aber hätt ich das je gedacht?«
    »Guck nicht mich an, während du fährst.«
    »Nein, aber hätt ich das je gedacht, daß ich mal einen Mann kennenlernen würde, der mir auf die Toilette hinterher will?«
    »Fahr.«
    Sie

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