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Unterwelt

Unterwelt

Titel: Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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glaubt, daß hier die Geschichte anders liegt. Er glaubt, sie werden alle etwas von hier mitnehmen, das sie auf eine seltene Art und Weise verbindet, miteinander und mit einer Erinnerung voll schützender Kraft. Auf der Amsterdam Avenue klettern die Leute auf Laternenpfähle, in Little Italy wird gehupt. Könnte es denn nicht sein, daß dieser Augenblick in der Mitte des Jahrhunderts sich bleibender in unsere Haut eingräbt als die umfassenden Gestaltungsstrategien bedeutender Führer und Generäle mit ihrem stählernen Blick hinter Sonnenbrillen – bleibender als die ausgefeilten Visionen, die unsere Träume durchbohren? Russ möchte gern glauben, daß ein Ereignis wie dieses uns auf unbestimmte Weise Sicherheit bietet. Dies wird in seinem Kopf noch lebendig sein, wenn das Alter kommt, mit dem doppelten Sehen und den Schwindelanfällen – das aufwallende Gefühl, das Hochspringen bereits stehender Menschen, der Ausbruch von Lärm und Freude, als der Ball einschlägt. Das ist die Geschichte der Menschen, und sie hat Fleisch auf den Knochen und atmet, gestärkt durch die Kraft unseres guten alten Spiels. Die Fans, die heute in den Polo Grounds waren, können ihren Enkeln davon erzählen – sie werden die furzenden alten Männer sein, die sich ins nächste Jahrhundert beugen und jeden, der ihnen zuhört, mit ihrem Medizinatem bedrängen und überzeugen wollen, daß sie dabei waren, als es geschah.
    Der Betrunkene im Regenmantel läuft von einer Base zur nächsten. Sie sehen ihn an der First Base, er rudert mit den Händen in der Luft, um nicht ins rechte Außenfeld zu geraten. Mit fliegenden Mantelschößen und Gliedmaßen und offenen Schnürsenkeln und schlenkerndem Gürtel nähert er sich der Second Base. Sie sehen, daß er gleich ausrutschen wird, und bleiben stehen und schauen zu, als er zu Boden geht.
    Alle Bruchstücke des Nachmittags sammeln sich rund um seine fliegende Gestalt. Schreie, das Knallen der Schläger, übervolle Blasen und verstohlenes Gähnen, die Sandkörnchenunendlichkeit der Dinge, die keiner zählen kann.
    Alles fällt unauslöschlich der Vergangenheit anheim.

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1
    I ch fuhr einen Lexus durch raschelnden Wind. Dieses Auto wird in einer Werkhalle zusammengebaut, die vollkommen frei von Menschen ist. Kein Fleckchen vom sterblichen Schweiß außer, na schön, von den Jungs, die das Produkt aus der Fabrik fahren – mit etwas Feuchtigkeit muß man rechnen, wo sie das Steuerrad halten. Das System läuft endlos voran, bis in päpstliche Feinheiten automatisiert, jede gleitende Bewegung zum Zweck erstklassiger Leistung rückgemeldet. Hohle Körper in endloser Folge. Da steht keiner mit Koffeinnerven oder einer Vorgeschichte klinischer Depression am Fließband. Nur das unheimliche Gefüge von Chromlegierungen, die in aufeinanderfolgenden Schwüngen vorangetragen werden, Eisenklötze und Dämmfolie, vorbeischwebendes Zierwerk aus eingepaßten und zusammengesetzten Karosserieteilen. Roboter, die Bolzen festziehen, programmierte Kulis, die nicht von lieben Verstorbenen träumen.
    Das ist durchaus eine Errungenschaft, Maschinen, die abseits von dem kleinen Plätschern menschlicher Sprache gemacht und gestaltet werden. So stellte mein Mietwagen ein natürliches Gegenstück zu der Landschaft dar, die ich durchquerte. Hitzeflimmern über der leeren Ebene, ein weißgebluteter Himmel. Knisternde Böen fegten Sand gegen die Windschutzscheibe. Und faktisch kein Menschenwesen auf der Bildfläche – abgesehen von mir natürlich, und auch ich war kaum da.
    Sagen wir einfach, die Wüste ist ein Impuls. Ich hatte mich blitzartig umentschieden, ein anderes Flugzeug genommen, einen Wagen gemietet, und ab über die Landstraße. Die alten Zeiten haben etwas an sich, das nach schnellem Handeln verlangt. Je eher man sich entschließt, desto weniger bleibt man der Erinnerung schuldig. Ich wollte sie wiedersehen und etwas spüren und etwas sagen, ein paar Worte, nicht zu viele, und dann wieder auf in die windige Ferne. Alles war Ferne. War harter Boden und Himmel und ein oblatendünner Hauch von Berg, flach da draußen hingekauert, Berg oder Wolke, Katzenbild, Wildkatze – wie menschlich, in einem Ding ein anderes zu sehen.
    Die alte Straße bog nach Norden, so daß die Sonne jetzt von der Seite kam, und ich wollte die Hitze auf Gesicht und Armen spüren. Ich schaltete die Klimaanlage ab und ließ die Fenster herunter. Ich griff nach der Tube Sunblocker, Schutzfaktor 15, die ich stets in Reichweite habe, obwohl

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