Unterwelt
sondern meiner. Ich verkaufe ihn nicht und tausche ihn auch nicht.«
Ein Auto biegt von der Straße ab, und Cotter bleibt stehen, um es vorbeizulassen. Dann spürt er, wie sich um ihn herum etwas verändert. Da kräuselt sich was auf dem Bürgersteig oder in der Luft und für den Bruchteil einer Sekunde auch auf dem Gesicht einer Passantin – ihr Blick richtet sich auf etwas, das hinter ihm passiert. Er dreht sich um und sieht Bill, der breit und schnell und mit rudernden Armen auf ihn zukommt. Ziemlich heftiger Schwerlastverkehr für einen Baseball, wie ihm scheint. Wie Bill die Farbe ins Gesicht steigt, wie der Stoff an seinen Knien glänzt. Sein Gesichtsausdruck gehört einem ganz anderen Menschen, einem Mann aus einer anderen Welt, verzweifelt und vorangetrieben.
Cotter steht da, einen langen Augenblick. Er täuscht mit dem Kopf an, pure Verschwendung, dann läuft er die leere Seitenstraße hinunter, Bill, die Hand ausgestreckt, ist ihm auf den Fersen. Cotter schlägt einen scharfen Haken, duckt sich weg, schlittert auf die Knie und wirbelt auf der rechten Hand herum, der Ballhand, er preßt den Ball fest in den Asphalt, als Drehpunkt. Bill zischt mit dröhnendem Keuchen an ihm vorbei, vernehmlich summend, fast schon sprechend. Cotter sieht, wie er stoppt und herumschießt. Er schielt vor Wut, sein Gesicht ist aufgedunsen und verzerrt. Ein Ärmel der Jacke in seiner Hand hängt herunter und schleift sanft über den Boden.
Cotter rennt auf die Hauptstraße zurück, hinter ihm rasselnder Atem . J etzt haben sie das Stadionpublikum hinter sich gelassen, das hier ist Harlem pur – er braucht nur bis zur Ecke zu kommen, zu den Leuten und Lichtern. Er sieht das Neon einer Bar und Bettlaken, die über einem leeren Grundstück hängen. Er sieht Frischgeschlachtete Hühner von der Farm. Er liest das Schild, vielleicht erfaßt er es auch als Ganzes, und es liegt eine seltsame, ruhige Erfüllung darin, eine Geste der Sicherheit. Zwei Frauen treten beiseite, als er herankommt – sie schauen an ihm vorbei auf seinen Verfolger, und er bemerkt ihre wachsamen Mienen und wie ihre Aufmerksamkeit nachläßt. Bill ist nah, donnert mit seinen Business-Schuhen über den Asphalt.
Cotter biegt ab, rennt einen halben Block weit, dann wendet er sich um und macht einen Luftsprung, dreht Bill mit dem ganzen Körper eine Nase – rennt ein Stück zurück, macht einen angeberischen Hüpfer, reizt Bill und zeigt ihm den Baseball. Ein fieser Clown. Er hält den Ball auf Brusthöhe und dreht ihn zwischen den Fingern, was im Laufen gar nicht so leicht ist – er läßt den Ball auf seiner Achse rotieren, langsam wieder und wieder herumwirbeln, und zeigt die zweihundertsechzehn erhabenen Stiche aus rotem Baumwollgarn.
Sag bloß nicht, du findest diese Nummer nicht klasse.
Das Manöver läßt Bill langsamer werden. Er geht jetzt rückwärts, mit den Schritten eines Tänzers, und betrachtet Cotter, aber er entdeckt keine Bresche. Denn durch das Manöver wird ihm klar, wo er ist. Durch die Tatsache, daß Cotter keine Angst hat. Daß er den Baseball stolz vorführt. Bill bleibt nun ganz stehen, ist aber zu klug, sich umzuschauen. Lieber die Blickrichtung auf geradeaus beschränken. Man weiß ja nicht, wer den Blick womöglich erwidert. Und je klarer Bill das wird, desto ungehemmter kann sich Cotters Wut steigern. Er weiß eigentlich gar nicht, wie er sie zeigen soll. Schon zum zweiten Mal heute provoziert er jemanden, aber er verspürt nicht die jähe Hitze wie vorhin, als er den Polizisten reingelegt hat. Statt des Hochgefühls beim Sprung übers Drehkreuz jetzt nichts als Trübnis – er ist verwirrt und erledigt und bringt sein schurkiges Starren nicht in Gang. So steht er breitbeinig da und schaut Bill an, Leute kommen vorbei und bemerken es oder auch nicht, und er wirbelt den Ball hoch und über seinen Handrücken und fängt ihn wieder auf, wenn er ihm vom Handgelenk rutscht, mit einer Abwärtsdrehung derselben Hand, so nach dem Motto, Sie können mich mal, Mister, was glauben Sie, wem Sie hier ans Bein pinkeln.
Cotter schaut Bill an. Bill ist ein hochroter, keuchender Mann, der vergeblich hinter dem Siebzehn-Uhr-Neun-Zug hergerannt ist.
Dann dreht er sich wieder um und geht langsam die Straße hinunter. Allmählich denkt er über das erstaunliche Ende dieses Spiels nach. Was nicht passieren konnte, ist tatsächlich passiert. Er will nach Hause, ruhig dasitzen, es wieder aufleben lassen, den Home Run über sich hinwegrollen und den
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