Unterwelt
meine Haut olivfarben ist, dunkel wie die meines Vaters.
Ich verlangsamte den Wagen zu einem freihändigen Kriechen und schmierte mir das Zeug auf eine Gesichtshälfte und einen Arm, die ausgesetzten Körperteile, denn ich war siebenundfünfzig Jahre alt und lernte immer noch, wie man vernünftig ist.
Die Moschus-Kokos-Lotion und der Jugendgeschmack von Hitze und Strand und eine unterschwellige Erinnerung an Meerwassertosen, Salzprickeln in Augen und Nase. Ich drückte die Tube aus, bis sie leer war. Sie ploppte und saugte und war leer. Ich nahm etwas wahr, ein geistiges Bild, eine Art Nervenknall, einen Wüstenblitz – den sekundenkurzen Farbklecks eines Eiskremverkäufers, der sich durch hohen Sand wand.
Später erstarb der Wind, und ein blaßrosa gerändertes Wolkenriff hing tief und still. Ich war inzwischen auf einem Feldweg gelandet, hatte mich grandios verfahren, ich hielt an, stieg aus und suchte die Landschaft ab, kam mir ziemlich blöd dabei vor, und weiter draußen zwischen den Yuccas glaubte ich ein paar »Heldenkeller« zu erkennen – alte Betonbunker vom Bergbau oder einem militärischen Testgelände. In einer Dreiviertelstunde würde es dunkel sein. Ich hatte noch einen Vierteltank voll Benzin, eine halbe Dose Eistee, nichts zu essen, keine warme Kleidung, eine Landkarte, die auf Details verzichtete.
Ich würde meinen Tee trinken und sterben.
Dann ein Aufwirbeln von Staub, eine verschwommene Masse, die am dämmrigen Horizont größer wurde. Und ein sich näherndes Objekt, das mich an hundert Filme denken ließ, in denen etwas über die gewellte Ebene herankommt, ein Reiter, das Gewehr vor der Brust, oder ein einsamer Kameltreiber, der in einen Burnus gehüllt auf seinem stumpfsinnigen Vieh hockt. Dieses Ding war anders, schleuderte Doppelsalven Sand hinter sich empor, legte ein flottes Tempo vor. Aber keines dieser üblichen alltäglichen Allradvehikel. Es hatte eine Leuchte auf dem Dach und einen gelb schimmernden Anstrich, und es war grell und klapprig, bunt wie aus einem Comic. Eine höchst willkommene Erscheinung, die da über den zerfurchten Feldweg rauschte wie ein Pop-Art-Objekt. Keine fünfzig Meter entfernt. Es sah aus wie, es war eindeutig ein New Yorker Taxi, unmöglich, aber wahr, gelber als Eigelb und zügig im Anmarsch.
Welche Bewegung hätte da besser gepaßt als der zum Anhalten ausgestreckte Arm?
Bloß, das verdammte Ding wurde nicht langsamer. Offene Fenster, herausplatzende Musik – ein Schwall Hormon-Rock. Ich trat aus der Bahn, den Arm, den chemikalienschlüpfrigen gebräunten Arm, immer noch erhoben. Ich sah, daß das Taxi gerammelt voll war, und rief den Vorbeifahrenden etwas zu – einen Namen, ein Kennwort in der zuckenden Luft.
»Klara Sax.« Das schrie ich.
Und es wurde zurückgebrüllt. Das Taxi bremste kurz ab, und ich hörte sie johlen. Dann reckten sich aus zwei, drei Fenstern Arme, sie winkten, ich solle folgen, und ein einzelner, lächelnder gelber Kopf, eine blonde Frau, sonnig und jung, die zu mir zurückschaute – die Fahrerin, unbekümmert im Getöse, blindlings weitersteuernd –, dann schoß das Taxi davon, zischte durch die Krüppelvegetation hinaus in die weite Wüste.
Ich stieg in mein stilles Auto und folgte.
Die Freiwilligen waren hauptsächlich Kunststudenten, aber es gab auch andere, Historiker und beurlaubte Lehrer und Nomaden und Ausreißer, ein einziges Kommen und Gehen, ausgebrannte Hacker auf der Suche nach der unverdrahteten Welt, sie waren Menschen, die den Ruf vernommen hatten, das Flüstern im Ohr, das einen zur Tür hinausschickt, in eine Zone erhabenen Spiels.
Mit den Händen arbeiten. Abkratzen und anmalen. Das träge Gemisch umrühren. Zuschauen, wie die Pinselstriche eine Fläche streichen. Pigment. Die tierischen Fette und Polymere, die zu diesem Wort verschmelzen.
Sie waren nett zu mir. Sie aßen und schliefen in einigen verlassenen Kasernen am Rande eines riesenhaften Luftwaffenstützpunkts. Toiletten, Duschen, Feldbetten und eine improvisierte Kantine. Eine gutgelaunte Arbeitstruppe mit breitgefächerten Fähigkeiten. Sie reparierten Dinge, sangen Lieder, sie erzählten lustige Geschichten. Wenn sie zu zahlreich für die Kasernen wurden, schliefen sie auch in Zweimannzelten oder Schlafsäcken oder in ihren staubigen Autos.
Ich sagte einem Studenten mit einem »Welcome«-Button, ich sei nicht hier, um einen Pinsel oder ein Sandstrahlgebläse zu schwingen, sondern nur, um mir das Objekt anzuschauen – das Kunstwerk, das
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