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Unterwelt

Unterwelt

Titel: Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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so. Sie alle hatten eine höllische Woche hinter sich, und er hatte sich in unterschiedlichen Verwirrungszuständen durch vier Clubauftritte geschleppt von Küste zu Küste, und jetzt war es vorbei; und er war in Sicherheit und trat auf und hätte da stehen und singen sollen Wir werden nicht sterben Wir werden nicht sterben Wir werden nicht sterben, sie in einen Gesang hineinführen, ein Mantra, das fröhlich und pseudo-fröhlich zugleich war, denn hier sind wir in New York, New York, und wir wollen immer beides zugleich.
    Als er noch dachte, sie würden alle sterben, hatte er den Sterbespruch mehrmals gebracht.
    Aber das war jetzt vorbei. Er hatte all das vergessen. Es gab andere, tiefere, vagere Themen. Alles, nichts, ihn selbst.
    »Ich bin heute abend hierher gekommen, um geliebt zu werden, wie noch nie ein Mensch geliebt worden ist. Liebt mich, wie ihr noch nie einen Menschen geliebt habt. Bei Regen oder Sonnenschein.«
    Ein unkontrolliertes Flehen lag in Lennys Augen. »Eltern, Kind oder Geliebte. Ich will in Strömen der Liebe gebadet werden.«
    Return to seat Return to seat Return to seat.
    Das alte Material löste ein mieses Gefühl bei ihm aus. Und die Lacher waren schlimmer als die Pointen. Die Lacher erledigten und entmutigten ihn. Er schaltete mehr oder weniger mitten im Satz um auf einen Sketch, den er sich vor dieser ganzen Raketenscheiße ausgedacht hatte, als er in L.A. auf dem Topf saß, denn dort nahmen seine besten Ideen meistens Gestalt an.
    Er hatte im übrigen auch schon früher am Abend eine beiläufige Anspielung auf das Thema gemacht. Und eine Reaktion gekriegt, die darauf schließen ließ, daß sie interessiert und mürbe waren.
    Er beschloß, den Sketch auf der Stelle auszubauen.
    Okay. Eine ungebildete Jungfrau mit traurigen Augen lebt in einem Bordell in einem Slum von San Juan. Sie hat ein besonderes Talent, das mit Sex an sich nichts zu tun hat. Eher eine Art Salontrick, okay. Männer bezahlen einen halben Wochenlohn, um sich in einem kahlen Kellerraum zusammenzudrängen, wo das Mädchen, weichhäutig und unschuldig, ihr Kleid hebt, ihr Höschen fallen läßt, eine brennende Zigarette von der Puffmutter bekommt und sie, den Filter zuerst, in ihren Muff steckt. Die Männer reißen die Augen auf. Es ist eine king-size Kent mit Mikronit-Filter. Dann zieht sie ihre Lippenmuskeln oder was auch immer zusammen und inhaliert sozusagen vaginal, nimmt die Zigarette raus und fängt an, eine Serie gottvoller Rauchringe zu blasen. Die Männer schnappen nach Luft.
    Perfekte, runde Ringe wabern aus ihrem noch recht spärlichen wolligen Busch empor.
    Lennys Publikum schnappte zwar nicht gerade nach Luft wie die Männer in dem Bordell, aber eine gewisse Unruhe war schon im Saal, unterlegt von einem nervös kleckernden Gelächter.
    Manche Menschen interpretieren das Talent des Mädchens religiös. Sie glauben, es sei ein Omen, ein Zeichen vom Himmel, daß bald das Ende der Welt naht. Gott hat ein armes, ungebildetes, unterernährtes Waisenmädchen erwählt, um der Welt eine Botschaft von tiefer Bedeutung zu schicken. Denn ist es etwa nicht denkbar, daß all diese O's, die aus ihrem Schoß kommen, sich auf den griechischen Buchstaben beziehen, der für das Ende steht? Andere sagen, Journalisten, Wissenschaftler, Priester – diese Männer sind in das Bordell gekommen, um den Fall in Augenschein zu nehmen, und sie sagen, die Ringe, die sie bläst, stellen nicht den griechischen Buchstaben Omega dar. Es sind vielmehr ganz gewöhnliche Buchstabensuppen-O's, so schön sie auch immer geformt sein mögen. Diese Leute sagen, erst wenn das Mädchen auch imstande ist, richtige griechische Omegas zu blasen, mit dem Hufeisen-Effekt, ja, mit dem kleinen Pimpex an jedem Ende der Öffnung, dann glauben auch sie an Wunder.
    Das ist echter Lenny-Bruce-Stoff. Deshalb sind sie doch alle gekommen, oder? Wer sonst bringt so was? Wenn es widerlich ist, um so besser. Wenn es dich als Einzelperson beleidigt, steh auf und geh raus und nimm deinen Kreuzworträtselgatten gleich mit.
    Also, eines Abends erscheint ein reicher, verwitweter Amerikaner, der mit Freunden einen draufmacht, und das Mädchen starrt ihm stolz, con dignidad, ins Gesicht. Dann steckt sie die Filterspitze in ihren Muff und bläst zwei Ringe ineinander und dann dorthinein noch einen dritten, winzigen. Der Millionär ist schockiert über das geschmacklose Spektakel, aber insgeheim auch fasziniert, und er geht schließlich Abend für Abend wieder hin, allein, und

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