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Unterwelt

Unterwelt

Titel: Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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Weile zu. Dann hat er eine Idee. Er schaut zu, denkt sich, da sind Unmassen Leute, und ich hab hier was, das jeder einzelne von ihnen gern besitzen würde, aber wer wird eine Geschichte glauben, die vom Himmel fällt. Dann wird ihm klar, wie er es machen sollte. Er hat eine Idee. Er kriegt sie aus der Menge. Er sollte nach Vätern und Söhnen Ausschau halten.
    Den Mann dazu bringen, es für den Jungen zu tun.
    Etwas in dem Mann ansprechen, na, seine Rolle als Vater, sein weiches Herz, seine Neigung, ein bißchen anzugeben, dem Jungen zu imponieren, aus dieser Nacht etwas ganz Besonderes zu machen.
    Und da sind tatsächlich Männer, die ihre Söhne heute nacht mitgebracht haben, sie sehen es als ein Abenteuer, ja, ziemlich viele Söhne auf der Bildfläche, als eine Erfahrung, die sie ihren Söhnen gern mitgeben wollen, daß man die ganze Nacht aufbleibt, um Karten für die World Series zu kaufen.
    Denn selbst wenn der Mann nicht daran glaubt, der Junge glaubt's bestimmt. Und Manx kann sich sogar ein kleines Komplott vorstellen, wie der Vater und der Schieber zusammenarbeiten, um dem Jungen weiszumachen, daß es der echte Baseball ist.
    Diese geistigen Verrenkungen braucht es, damit ein Geschäft hinhaut.
    Also streicht er um die Warteschlangen herum, kundschaftet die Kandidaten aus, die an der hohen Mauer stehen, er mustert Gesichter und Auftreten, er will nichts übereilen, er folgt der Mauer Richtung Westen und sieht möglicherweise genau das, wonach er gesucht hat, endlich, der Kleine ist vielleicht elf, der Mann holt ein Sandwich aus einer Sporttasche, und sie stehen vollkommen ahnungslos da, als er näherkommt.
    Er serviert sein Vorspiel, das er für den schwierigsten Teil hält, erläutert die Einzelheiten, und er schaut von dem Mann zum Jungen und zurück, versucht sie beide hineinzuziehen, und es scheint ganz gut zu laufen, der Mann bricht das Sandwich durch und gibt dem Kleinen die Hälfte, und sie schauen Manx an und essen.
    Sie hören zu und kauen, und er versucht, ihre Blicke zu deuten. Aber er ist blockiert, wegen der Namen, um die es geht, der am entscheidenden Moment beteiligten Spieler, er weiß ihre Namen, Gesichter, Nummern nicht, all die Dinge, die ein Fan von seiner Geburt bis zu dem Tag, an dem er stirbt, genau weiß, und das verlangsamt seinen Bericht und trübt ihn, und er versucht es auszugleichen, indem er den Baseball herausholt.
    Jetzt spricht der Mann, mit vollem Mund.
    »Sie wollen also damit sagen. Sie behaupten. Mit anderen Worten.«
    Weißes Fleisch und Salat hinter seinen Zähnen.
    »So ist es. Ganz genau«, sagt Manx, er hört sich eine hohe Stimmlage anschlagen, die aufmunternd und optimistisch klingen soll.
    Doch der Mann schaut den Baseball gar nicht an. Er schaut Manx an.
    »Und ich soll hier stehen.«
    Manx begreift allmählich, aus nächster Nähe, daß dieser Bursche ein Busfahrer oder Kanalarbeiter oder Maurer ist. »Und mir diesen Dünnschiß anhören.« Der Mann kaut und redet.
    »Ich glaube, Sie schaffen jetzt besser Ihren Arsch hier weg, Kumpel, bevor ich die Polizei rufe.«
    Manx steckt den Ball wieder in die Tasche.
    »Wichser wie Sie stecken die hinter Gitter, weil da gehören Sie nämlich hin.«
    So vor seinem Kind zu sprechen.
    Der Kleine hat Hunger, er arbeitet sich durch seinen Salat wie ein Rasenmäher.
    Sie stehen da und essen, alle beide, schauen Manx an, und der Sohn ähnelt seinem Vater dermaßen, bullig und rundgesichtig, daß Manx ihn am liebsten vorm Erwachsenwerden warnen möchte.
    Denken, ihnen gehört die Welt.
    Er braucht eine Stunde, um die Schlangen auszukundschaften, drei Runden um das Stadion zu drehen, mit diesem und jenem zu reden, ein Gefühl für den Einzelnen zu kriegen, zu gucken, wie's läuft, und es läuft nicht besonders, er gibt sich noch fünf Minuten, nach der Uhr an der Mauer am südwestlichen Ende, und dann noch mal fünf Minuten, sagt sich, wenn er in den nächsten fünf Minuten keinen entdeckt, der ein ordentliches Kind im Schlepptau hat, dann gibt er auf und geht nach Hause, und dann noch eine Minute und noch eine, er streicht um die Warteschlangen herum, startet erfolglose Versuche, und etwa eine Stunde später redet er mit einem Mann und seinem Sohn, die draußen vor den billigen Plätzen hocken, ziemlich am Ende einer sehr langen Schlange, sie kampieren da mit einem Schlafsack für den Jungen und einem Dufflecoat für den Mann, und Manx hat die Namen noch nicht ganz zusammen.
    »Womit ich sagen will, also ganz ehrlich.«
    »Moment

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