Unterwelt
mal. Sie sagen, der Baseball, den Sie da angeblich haben.«
»Genau genau genau. Aber ich weiß nicht, wie der Spieler heißt, ja, wobei ich ganz ehrlich zu Ihnen bin.«
»Sie meinen Bobby Thomson?«
»Der war's. Jawoll. Jetzt geht's mir besser.«
Denn Manx glaubt, er kann mit diesem Mann ganz offen reden. Die eigene Unzulänglichkeit offenlegen. Er ist kein Fan und sollte auch nicht so tun. Und zugleich, nur schwerer nachvollziehbar, denkt er, das ist eine Strategie, die vielleicht funktioniert, ein Plan, ein Szenario – zeig dem Mann deine Schwächen, und er wird deine Geschichte schlucken, und zwar komplett.
»Ich bin der Ansicht, wenn man ins Geschäft kommen will, legt man seine Karten auf den Tisch. Und ich sag Ihnen mal, was ich denke. Daß morgen eine Riesenmeute im Clubhaus vor der Tür steht. Und jeder einzelne hat einen Baseball in der Hand und sagt, ich hab das As.«
»Während tatsächlich, nach dem, was Sie behaupten«, sagt der Mann.
»Während tatsächlich das As im Ärmel steckt«, sagt Manx und greift in die Tasche und holt den Ball heraus.
Der Mann lächelt. Der Mann lehnt mit dem Hintern an der Wand, und Manx sitzt selber in der Hocke, hält den Ball mit leichtem Zittern, der komischen Wirkung halber, er starrt den Mann durchdringend an, mimt innere Glut, wobei sie beide wissen, daß er nur mimt, reine Effekthascherei, und der Mann streckt amüsiert, aber skeptisch, die Hand nach dem Ball aus, was soviel heißen soll wie, vorerst spielt er noch mit.
Aber Manx gibt ihm den Ball nicht.
Der Junge hat sich in seinem Schlafsack aufgesetzt und versucht, wach zu bleiben.
»Schauen Sie sich mal diesen Teerfleck an«, sagt Manx. Und er zeigt ihn dem Mann, und er zeigt ihn dem Jungen. »Ich glaube, den sollte ich mal wegmachen, weil der hat hier nix verloren.«
Und er feuchtet mit großer Geste seinen Daumen an und versucht eine winzige Teerspur zu entfernen, Cotter muß mit dem Ball auf der Straße gespielt haben, aber er bringt es bloß fertig, die Stelle zu verschmieren, und muß sich fragen, warum er überhaupt an dem Ball herumdoktert.
»Übrigens«, sagt der Bursche, vielleicht um Manx aus seiner peinlichen Lage zu befreien. »Ich heiße Charlie.«
»Sagen Sie Manx zu mir. Und Ihr Sohn. Wie heißt du, mein Junge?«
»Sag's ihm.«
»Nein«, sagt der Kleine.
»Da haben wir ja einen Racker«, sagt Manx. »Wie alt ist denn dieser Rackerhalunke?«
»Acht«, sagt der Mann.
»Acht. Wenn man noch mal acht wäre. Wenn man zu seinem ersten World-Series-Spiel gehen und all die berühmten Spieler sehen würde. Daran wird er sich für den Rest seines Lebens erinnern.«
»Er heißt Chuckie.«
Manx schaut Chuckie an. Der Kleine wäre lieber zu Hause und würde in einem weichen, warmen Bett schlafen, mit Hundebildern an der Wand. Das geht in Ordnung. Wir reden hier schließlich nicht über die Gegenwart, sondern über die Zukunft. Papa versucht dem Jungen eine Erinnerung aufzubauen.
»Acht sein. Yankee-Stadion. Das berühmteste Baseballstadion im ganzen Land.«
Manx legt den Ball in die Hand des Mannes.
»Aber wenn morgen ein Dutzend Leute mit 'nem Baseball vor der Tür des Clubhauses stehen«, sagt Charlie, »wie soll mir das einer glauben? Wie soll ich mir selbst glauben, daß das der Ball von Bobby Thomson ist? Oder sonstwem?«
Manx sitzt in der Hocke, Würfelspielerhaltung.
»Sagen wir mal so«, sagt er, und die Frage schreckt ihn nicht, denn er hat sie erwartet, seit er von Harlem über die Brücke gekommen ist. »Glauben die Ihnen oder mir? Wem glauben die? Versetzen Sie sich mal an die Stelle von Freunden von Ihnen, Kollegen aus dem Büro. Dann schauen Sie mich an, schauen Sie sich selber an. Wem werden die glauben?«
Manx weiß, daß die Logik bei diesem Argument ungefähr sechsmal um die Ecke geht und weit von der Frage entfernt liegt, wie die tatsächliche Geschichte des Balls verlaufen ist. Aber er glaubt, er kann sich darauf verlassen, daß dieser Bursche den springenden Punkt sieht, die Denkrichtung.
»Und ich persönlich kann es glauben«, sagt er, »weil mein eigener Junge mir alles Nötige über diesen Baseball erzählt hat. Und bei so was würd er seinen Alten im Leben nicht belügen. Der lügt schon. Wenn's um die Schule geht, lügt er. Einmal geschwänzt, schon gelogen. Oder nicht zum Zahnarzt gegangen.«
»Aber hier geht's um einen Baseball«, sagt Charlie entgegenkommend.
»Ganz genau. Ich muß zugeben, erst war ich nicht überzeugt. Wie Sie. Wie jeder. Ich war erst
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