Unterwelt
Mandarine, Mandarine. Die orangegekleideten Edelleute aus dem alten China. Die ursprünglich edle, exotische Frucht.
Jetzt ging es ihm besser, vielen Dank.
Wie die Sprache mit den Sinnen verwoben ist. Aus sandstrahlglatter Schärfe in verschrobenen Köpfen wie seinem, mit Tasten, Schmecken und Riechen verwoben. Er wollte noch ein bißchen länger drinbleiben, damit das Bad ganz von ihm Besitz ergreifen, alles sanfter und leichter machen konnte, bevor er wieder Kleider anzog und in die Vielzweckschachteln zurückkehrte, in denen die Leute ihr Leben erledigten.
Nichts paßt dem Körper so gut wie Wasser.
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2
S päter würden sie das Auto abholen, aber erst mal hingen sie noch eine Weile rum, ließen die Nacht richtig dunkel werden und saßen auf der Eingangstreppe von Nummer 611.
JuJu setzte sich erst, als er sein Taschentuch auf die Stufe gelegt hatte. Er redete von den neuen Automodellen, ganz neu, der hier hat die und die PS, der da hat die und die Lenkung, und er war ernsthaft und inbrünstig.
»Du redest, als wolltest du gleich deine Brieftasche zücken«, sagte Nick. »Dabei weißt du genauso gut wie ich.«
Scarfo stand an der Ecke, ungefähr zehn Meter entfernt, und aß einen kandierten Apfel, ein erwachsener Mann, hielt ihn vom Körper weg und beugte sich zum Reinbeißen vor.
»Da ist bloß ein Gummi drin, sonst nichts.«
Sie beobachteten die Leute, die von der Arbeit heimkamen. Nick hockte auf dem Eisengeländer, direkt über JuJu. Es war kalt, und sie schleppten sich nach Hause, Büroangestellte, Busfahrer, Textilarbeiter, Fahrstuhlführer.
Nick beobachtete sie und rauchte.
»Das bist du«, sagte er.
»Wovon redest du?«
»Zwei Jahre höchstens. Das bist du«, sagte er. »Könnte auch schon früher sein.«
»Es ist Arbeit. Die haben Arbeit. Was sollen sie denn machen?«
»Ich will dir mal sagen, was ich denke.«
»Laß mir einen Zug von der Zigarette übrig.« Sie schauten Scarfo zu, der mit dem Schuster sprach und den kandierten Apfel jetzt auf Armeslänge hielt. »Alles ist besser als das, was die tun. Das denke ich.«
»Die arbeiten. Laß sie arbeiten.«
Nick schaute zu und rauchte, Sekretärinnen, Wartungsmonteure, Bankangestellte, Boten, Schreibkräfte aus dem Schreibbüro, Tippsen und Stenomiezen.
»Es ist nicht die Arbeit. Es sind die regelmäßigen Zeiten«, sagte Nick. »Jeden Tag zur selben Zeit anfangen. Die Stechuhr. Den Zug nehmen. Der Zug ist es. Zusammen hinfahren. Zusammen heimfahren.«
»Du bist was Besseres.«
»Besser, schlechter, wo liegt der Unterschied.«
Als Nick den letzten Zug seiner Zigarette rauchte, hielt er die Kippe zwischen Daumen und Mittelfinger, der Mittelfinger schon schnippbereit in der Schwebe, so daß Nick mit einer verlängerten Bewegung zog und die Kippe in die Gosse schnippte.
»Danke«, sagte JuJu.
»Wofür?«
»Dir sind zwanzig Wochen Stütze im Jahr lieber als eine regelmäßige Arbeit, die anständig bezahlt wird?«
»Ich sag dir, was mir lieber wäre. Ich würd mir lieber von der da im grünen Mantel einen blasen lassen.«
»Wo?«
»Die im grünen Mantel.«
»Wo?«
»Auf der anderen Straßenseite«, sagte Nick. »So was gefällt dir?«
»Hey. Ich hab ja nicht gesagt, daß ich sie heiraten will.«
»Konntest du mir keinen Zug übriglassen?«
»Was? Hast du drum gebeten?«
»Die ist furchtbar klein«, sagte JuJu.
»Gut. Dann kann sie mir im Stehen einen blasen.«
»Mindert den Verschleiß der Knie.«
»Gott hat sich was dabei gedacht, als er kleine Menschen erschuf.«
Scarfo trug ordentliche Hosen mit Bügelfalte und gute Schuhe, und er aß in verrenkter Stellung, damit ihm die Glasur nicht auf die Kleidung tropfte. Er besprach etwas mit dem Schuster, und der Schuster stand gedrungen und blaß da.
»Hast du Benzingeld?« sagte JuJu.
»Wir brauchen kein Benzin. Für da, wo wir hinwollen?«
»Wo wollen wir hin?«
»Zum Billard«, sagte Nick.
Sie sahen dem Schuster beim Denken zu. Als würde man einer Bulldogge beim Scheißen zusehen.
Die Leute kamen von der Arbeit nach Hause, wurden mit der Zeit weniger, jetzt nur noch ein Rinnsal. Es war der Abend vor Thanksgiving, und es gab da so ein Gefühl, das man bei einem Feiertag und freien Tag wohl haben sollte, um sich auf ein großes Fest vorzubereiten, wenn die Verwandten zu Besuch kommen, aber Nickys freie Tage hatten schon ein paar Wochen früher angefangen, als er aufhörte, zur Schule zu gehen, und Verwandte waren auch keine in der Nähe, wofür man aber eigentlich
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