Unterwelt
mit Kaffee und Knabberkram ins Wohnzimmer. »Da bist du also nun.«
»Genau, was, sechs Straßen entfernt von dem Viertel, wo wir aufgewachsen sind?«
»Komisches Gefühl, zurückzukommen. Alle sind so häßlich. Ich schwör's dir, das ist mir damals nicht aufgefallen.«
Echt Rochelle. Das hatte sich Klara gewünscht, war aber nicht sicher gewesen, ob sie es bekommen würde.
»Du hast eine neue Wohnung«, sagte sie. »Riverside Drive. Warum ich so ein Glück habe, weiß ich auch nicht.«
»Du siehst sehr pariserisch aus oder so was. Vielleicht die Haare oder die Kleider. Was ist es?«
»Wenn du einmal anfängst, kannst du nicht wieder aufhören. Es ist wie eine Krankheit«, sagte Rochelle. »Du bist immer noch so gertenschlank, ich werd dich mein Leben lang beneiden.«
Rochelles Mann war Grundstücksmakler. Sie nannte ihn mein Immobilien-Harry. Sie fuhren nach Florida und Bermuda und kauften zusammen auf der Fifth Avenue Dessous ein.
»Du bist also hier, Klara. Und unterrichtest Kunst.«
»Es gibt ein Gemeindezentrum. Die Kinder kommen zu mir, manche strampeln, andere schreien. Es gibt aber auch sehr bereitwillige, die sehr gerne malen.«
»Es ist also befriedigend für dich.«
»Manchmal macht es mir Spaß, ja.«
»Dir macht es also Spaß. Es ist also gut. Und Albert. Er ist auch Lehrer. Alle sind Lehrer. Die Hälfte der Menschheit unterrichtet die andere Hälfte.«
»Albert ist ein richtiger Lehrer. Von Beruf.«
»Ist das seine Mutter da drin?«
»Eigentlich eine starke Frau, selbst in diesem Zustand. Ich bewundere sie in vielerlei Hinsicht. Läßt sich von keinem was bieten.«
»Stirbt sie da drin?«
»Ja.«
»Wirst du sie im Haus sterben lassen?«
»Ja.«
»Du warst schon immer so aufgeschlossen. Hast du einen Liebhaber, Klara?«
»Du bist mal grade zehn Minuten in meinem Haus. Die Antwort ist nein.«
»Willst du mich nicht fragen, ob ich was nebenher habe?«
»Ich weiß, was ich sagen müßte. Du wärst ja verrückt, wenn du was nebenher hättest. All das riskieren? Harry, die Wohnung, die Dessous? Aber in Wahrheit.«
»Nur ein- oder zweimal. Ich brauch nachmittags was, sonst fühl ich mich nutzlos.«
Rochelle wollte ihre Bilder sehen. Im Gästezimmer standen mehrere kleine Leinwände an die Wand gelehnt, und die beiden schauten sie sich eine Weile an. Der Druck, den Rochelle verspürte, jetzt das Richtige zu sagen, preßte ihr den Kopf zwischen die Schultern.
»Harry will Kunst kaufen.«
»Sag ihm, er soll sich einen Berater nehmen.«
»Ich werd dich zitieren, daß du das gesagt hast.«
Klara zeigte ihr ein paar Pastelle.
»Albert ist also ein lieber netter Mann, stimmt's? Paßt es ihm, daß du malst?«
»Er glaubt, es entspannt mich.«
»Es macht dir also Spaß. Du kommst hier rein und malst. Ich seh dich vor mir, Klara. Stehst hier, denkst nach, nimmst mit dem Pinsel Maß. Du versuchst dies, du versuchst das. Einmal hab ich einem Liftboy erlaubt, sich an meinem Oberschenkel zu reiben, in Florida.«
Sie tranken noch eine Tasse Kaffee und gingen dann nach oben, um Klaras Kind anzusehen. Die Kleine saß auf dem Boden und spielte mit Puzzleteilen, und sie unterhielten sich eine halbe Stunde mit der Babysitterin und schauten dem Kind zu, wie es ganz unabhängig vom Puzzle eine Welt erschuf.
»Klara, sag es. Ich sollte ein Baby bekommen.«
»Du bist der letzte Mensch, zu dem ich das sagen würde.«
»Ich danke dir. Du bist auf ewig meine Freundin. Komm in meine Arme. Ich werde glücklich nach Hause fahren.«
Sie gingen nach unten und standen plaudernd auf der Eingangstreppe. Drei Männer schoben ein Auto an. Schneeflocken rieselten herunter.
»Läßt sich also nichts bieten, Alberts Mutter. Bring mich an ihr Sterbebett, bevor es zu spät ist. Vielleicht kann sie mir was sagen, das ich wissen sollte.«
Als sie weg war, ging Klara ins Gästezimmer und ordnete die Leinwände und schaute sich die Skizzen an, die sie gemacht hatte. Die Tür, der Türgriff, die Wände, der Fensterrahmen.
Sie schickte Mrs Ketchel nach Hause und setzte sich zu Alberts Mutter, bis es dunkel wurde. Dann ging sie in die Küche, kümmerte sich ums Abendessen. Aber zuerst knipste sie die Lampe am Bett an, damit Albert seine Mutter sah, wenn er die Treppe hochkam.
Der Billardspieler war George Manza, George der Kellner, und er spielte allein im hinteren Teil des Raums. Er war nicht der Typ, der sich unter die Stammkunden mischte, und außerdem war er ein Meisterspieler. Selten kam mal jemand, der ihm das
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