Unterwelt
sich fragte, wie das Essen von einem Restaurant hierher gebracht werden und immer noch dampfend heiß sein konnte.
»Ich hab deinen Vater gemocht. Ich glaube nicht, daß Jimmy ernsthafte Feinde hatte. Er hatte Schulden, na und? Wenn dir einer Geld schuldet, dann handelst du eine Vereinbarung aus. Es gibt Mittel und Wege, so was zu machen, man wendet einfache Geschäftsmethoden an, so wie Mike sein Geschäft führt, so wie ein Herrenschneider sein Geschäft führt. Du kaufst einen Anzug, du zahlst soundso viel an und dann soundso viel pro Monat ab. Du kaufst dir ein Auto und so weiter.«
Der Mann sah Nick an, während er sprach. Er klang nicht überheblich oder leichtfertig. Er wollte ein aufrichtiges Gespräch, und er wollte ihm etwas klarmachen.
»Jimmys Stellung war nicht danach, daß er jemanden so auf die Füße treten konnte, daß der dann was ganz Außergewöhnliches tat. Bei allem Respekt Jimmy war ein kleiner Fisch. Er hatte einen sehr kleinen Laden laufen. Hat bei den Kleingeldwettern die Runde gemacht. Meistens ganz kleine Wetten. Das machte er. Die Jungs, die in der Fabrik kehren, so was. Du mußt verstehen. Jimmys Stellung war nicht danach, daß ihn einer von den Großen bedroht hätte.«
Nick betrachtete ihn, wie er sich einen Bissen Essen reinschob. Er konnte nicht anders, er verspürte Dankbarkeit. Der Mann stand da und redete mit ihm. Der Mann nahm sich die Zeit, ihm etwas zu sagen, das die Sache, wie er glaubte, in Nicks Kopf in Ordnung bringen würde.
»Ich bedanke mich«, sagte er.
»Ich hab deinen Vater gemocht. Und ich weiß selber, wie das ist, einen Vater in jungen Jahren zu verlieren. Wegen Krebs war das.«
»Daß Sie sich die Zeit nehmen. Ich bedanke mich.«
»Vergiß es. Mach dein Spiel zu Ende«, sagte der Mann.
Nick hatte immer noch das Billardqueue in der Hand. Er wedelte in Richtung der Lampe über dem Tisch.
»Mike, sag bloß nicht, du berechnest mir die Zeit, die ihr zwei hier beim Essen sitzt.«
Das gefiel den Männern. Er ging an den Tisch zurück und beendete das Spiel mit Stevie und Ray. Sie wollten wissen, was er mit den Typen an der Theke beredet hätte.
Er erwog einen Dummbeutelwitz, sagte dann aber nichts.
Er war dem Mann dankbar für die Zeit, aufrichtig, aber er fand, die Logik des Arguments brauchte er nicht zu übernehmen. Die Logik, beschloß er, beeindruckte ihn nicht.
Sie spielten Karten da unten, Pinokel, und tranken hausgemachten Wein in dem Raum unter dem Schusterladen, wo der schummrige Durchgang zu den Höfen führte.
Bronzini schaute zu, sprang ein, wenn einer ging, war aber sonst nur Kiebitz, mischte sich nicht ein, genoß die Gesellschaft und probierte den Wein, der manchmal gut war, manchmal gegoren und besser für Salatsoßen geeignet.
Er hatte es eilig, ein alter Mann zu werden, sagte Klara zu ihm. Warum sonst bei den Alten der Straße sitzen, von denen einige fast doppelt so alt waren wie er, und ganze Nachmittage mit Diskutieren und ziellosem Gerede verplempern.
Draußen in der tiefen, zähen Schwüle schliefen die Katzen im Schatten, und die Menschen, wenn sie überhaupt nach draußen gingen, hielten sich an den Häusermauern und liefen benommen durch die unerwartete Hitze.
Hier unten in dem Kellerraum war es trocken und still und steinkühl, still bis auf die Stimmen natürlich, und er mochte die Stimmen, laut, rüde, komisch, oft machtvoll starrsinnig, alles Redenschwinger diese Männer, Schauspieler, Deklamierer, Meister der Beleidigung, auf der Suche nach einem Augenblick der Transzendenz.
John der Verwalter ließ einen Ochsenfroschfurz los.
Er erzählte ihnen von dem Müll, den er damals zu bewältigen hatte, als er vorübergehend Hausmeister in Manhattan war, in einem großen Mietshaus, Fahrstühle, Türsteher, chemische Reinigung mit Lieferservice, Taxis links und rechts.
Mannaggia l'America.
Dieses verdammte Land hat Müll, den du essen kannst, Müll, der besser schmeckt als das Essen, das in anderen Ländern auf den Tisch kommt. Die haben Müll hier, mit dem kannst du dein Haus möblieren und deine Kinder ernähren.
Sie spielten und reizten und schnalzten, um zu bestätigen, daß es im Müll alle möglichen Kleider gab, jede Menge und immer noch gut zu tragen.
Albert erzählte ihnen von den alten Mayas. Dieses Volk begrub seine Toten nicht mit schimmerndem Schmuck und anderen wertvollen Dingen. Sie nahmen alte, kaputte Sachen. Sie gaben den Toten gesprungene Vasen bei, zerbrochene Tassen und angelaufene Armbänder. Sie
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