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Unterwelt

Unterwelt

Titel: Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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guckte, und seitdem ist er arrabbiato, rasend wie ein tollwütiger Hund.
    Ein Mädchen im Firmkleid, einem weißen Kleid und Strümpfen und weißen Schuhen und roten Schleifen im Haar, und in der Hand weiße Blumen in knittrigem roten Zellophan.
    JuJu kam vorbei, nahm Nick das Sandwich aus der Hand und schaute hinein.
    Der alte Mann auf den Eingangsstufen gegenüber, der sein Taschentuch fein säuberlich auf der obersten Stufe ausbreitet, sich dann hinsetzt und seine Pfeife mit Zigarettentabak und den Krümeln einer zerbröselten DeNobili-Zigarre stopft, das ist der unvermeidliche Itaker-Stinker, und dazu noch mit allem möglichen anderen, was nicht in eine Pfeife reingehört.
    »Mit deinen Gewichten ist es dir aber ernst.«
    »Ich mache Bankdrücken, und meine Mutter hält die Hantel, wenn ich schreie. In Rückenlage«, sagte JuJu mit leicht snobistischem Ton.
    »Wie oft willst du eigentlich von meinem Sandwich abbeißen?«
    »Ich mache ein komplettes Programm. Solltest mal rüberkommen.«
    »Hey. Ich arbeite, nicht vergessen. Ich hab den ganzen Tag 7-Up zu stemmen.«
    »Das ist doch kein Programm«, sagte JuJu. »Bevor ich Gewichte hebe, sterb ich lieber.«
    »Siehst du, das ist eine typische Reaktion, mit der du nur deine Dummheit zeigst.«
    »Sterb ich lieber den Tod der tausend Schnitte.«
    »Zeig ruhig deine Dummheit.«
    »Dann bin ich lieber dumm. Guck mal da drüben. Die in der gelben Bluse. Das ist 8oD.«
    » Was, hast du gemessen?«
    »Was heißt hier messen? Ich hab'n geübten Blick.«
    »Du kannst aus dieser Entfernung Körbchengröße D von C unterscheiden.«
    »Lieber eß ich Schafsmagen, als Gewichte zu heben«, teilte Nick ihm mit.
    Die Frau des Verwalters schaute friedlich aus dem Fenster von Nummer 610, sie wurde Schwester Katy genannt. Und wenn sie sturzquietschbesoffen war, ungefähr einmal im Monat, dann johlten die Kinder zu ihr rauf, Sing doch, Schwester Katy.
    »Die verkauft dir Bier an einem Sonntag? Vor ein Uhr?«
    »Was für 'n Bier? Das hier ist Malzbier.«
    Ein Junge in weißem Anzug mit roter Krawatte und einer roten Armbinde, die Haare glattgekleistert, versucht sich dem Griff seiner Mutter zu entwinden, die mit ihrer schlenkernden Handtasche auf seinen Kopf zielt.
    »Welchen Firmnamen hast du denn?«
    »Kann dir doch scheißegal sein«, sagte JuJu.
    Zuerst die stickige Luft der langen Treppe und der metallische Geschmack der Luft und das dicke, ferne Rollen der Männerstimmen an einem Abend mit Betrieb, die aufgeregten, verschwommenen Stimmen und der Rauch im großen Raum und ein Baseballspiel im Fernsehen und ein Billardspieler, der langsam sein Queue mit Kreide einreibt und dabei aussieht wie ein Soldat aus einem alten, exzentrischen Krieg, und die wunderschönen, numerierten Kugeln und der grüne Filz und das verträumte Pirschen eines Spielers, der gerade dran ist, das endlose Karambolieren der aufeinandertreffenden Kugeln, die Treffergeräusche des Queues, die Kugeln, die Bande, das Poltern, wenn eine Kugel direkt ins Loch versenkt wird.
    An dem Abend spielte Nick eine Partie mit George dem Kellner. George jobbte an seinen restaurantfreien Abenden als Parkwächter am Rennplatz, und er erzählte Geschichten von den Autos, die er einparkte, wie er das Gaspedal runtertrat und auf die Bremse latschte, es klang wie dreckige Witze, Chrom und Polster und Lenkung, alles Titten und Arsch.
    Seit der Episode mit der Spritze war Nick etwas auf der Hut vor George. Er fühlte sich in gewisser Weise abgeschnitten, weniger frei und leicht, aber George sagte nie etwas dazu, schien sich gar nicht mehr daran zu erinnern.
    Trotzdem war ihm, als hätte er vor George an Format eingebüßt, weil er so viel Schrecken und Verwirrung gezeigt hatte.
    Nick sah von dem Stoß auf, zu dem er gerade ansetzte. Etwas in Georges Augen ließ ihn dessen Blickrichtung folgen, zum anderen Ende des Raumes.
    »Wer ist das?«
    »Du kennst ihn nicht?«
    Mike stand da und unterhielt sich mit einem untersetzten Mann an der Theke, der ein zu enges Jackett trug, zweifarbig, über einem Hemd mit offenem Kragen.
    »Mach deinen Stoß«, sagte George.
    Nick zielte seitlich auf die Sieben.
    »Das ist Mario Badalato«, sagte George.
    Er machte seinen Stoß.
    »Nicht schlecht«, sagte George. »Den Namen schon mal gehört?«
    Er war sich nicht sicher, aber er schüttelte den Kopf.
    »Ein Name, den man über die Jahre mit dem ganz bestimmten Leben verbindet.«
    Nick schlich gebückt ans andere Ende des Tisches und überlegte sich

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