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Unterwelt

Unterwelt

Titel: Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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Memorabilienmarkt hat, und sie hat mich Tag und Nacht angerufen, Ferngespräch, R-Gespräch. Sie sagt, früher hätte sie das Ding mal gehabt, das ich suchen würde. Wäre aber Vorjahren auf mysteriöse Weise verschwunden, sagt sie, aus der kleinen abgeschlossenen Schachtel, wo sie es immer drinhatte.«
    »Genevieve Rauch.«
    »An deren Namen ich mich nie.«
    »Genevieve Rauch«, sagte seine Tochter. »Und die beiden suchen nach den wichtigsten, wissen Sie.«
    »Indizien«, sagte Brian.
    »Die ihren Baseball zumindest in den Bereich des Möglichen bringen.«
    »Die Spuren und Kratzer«, sagte Marvin. »Das Markenzeichen, ob es echt ist. Die Unterschrift des Liga-Präsidenten, der zu dem Zeitpunkt im Amt war. Ihre Erinnerung ist wacklig. Ich schweife etwas ab, sie redet von was anderem. Diese Frau hat ein Extrachromosom fürs Themenwechseln. Tausendmal hab ich Lust, einfach aufzulegen.«
    »Und dann passiert es«, sagte Ciarice.
    »Ein Mann in seinem Auto.«
    »Ein Mann ist in seinem Auto unterwegs, und irgendwer schießt ihn tot. Stellt sich raus, der Mann ist der lang vermißte frühere Ehemann von Genevieve Rauch. Stellt sich außerdem raus, daß er Juddy Rauch heißt, Judson Rauch. Die beiden Flüsse treffen sich. Mußte erst ein Mord passieren, um die Verbindung aufzudecken.«
    Marvin senkte den Kopf zum Kistendeckel, um einen Schluck Kaffee zu trinken, und Brian starrte in das Gewebe seines erbärmlichen Toupets.
    »Als ich noch einen Magen hatte, hab ich diesen Käsekuchen gefressen bis zum Umfallen.«
    Ciarice erläuterte, wie er nach Deaf Smith County, Texas, gefahren war, wo er vor Ort im Namen von Genevieve Rauch einen Anwalt engagierte und den Baseball zu guter Letzt in einem Tütchen entdeckte, quittiert und numeriert und in der Asservatenkammer gelagert. Von der Polizei zusammen mit der Leiche, dem Auto, allen Gegenständen im Auto, zu denen der Ball gehörte, beschlagnahmt und in einen Pappkarton voll Plunder gestopft.
    Marvin paffte an seinem Stumpen.
    »Ich fahr die ganze Strecke bis zur Bronx, um diesen Käsekuchen zu kaufen. Eine koschere Bäckerei, aber die würden Sie nicht finden, auch wenn ich Ihnen eine Straßenkarte, einen Reiseführer und einen Wasweißich mitgeben würde, der fünf Sprachen spricht.«
    »Dolmetscher.«
    »Einen Dolmetscher«, sagte Marvin.
    Der Käsekuchen war weich und üppig, er hatte die Persönlichkeit eines warmherzigen, wohlhabenden Onkels, der hundert dreckige Witze kennt und irgendwann bei der Fleischesgymnastik in den Armen seiner Geliebten sterben wird.
    »Und so«, sagte Brian, »haben Sie endlich den Baseball gekauft.«
    »Und ich habe seinen Weg bis zum vierten Oktober zurückverfolgt, das war der Tag nach dem Spiel, im Jahre Neunzehnhunderteinundfünfzig.«
    »Und wie haben Sie dieses Unterfangen so viele Jahre lang finanziert? Die Reisen, den technischen Aufwand, das Ganze.«
    »Ich hatte hier in der Gegend eine Ladenkette, Reinigungen, die ich nach dem Tod meiner Frau verkauft habe, ich brauchte das nicht mehr, diesen ganzen Ärger.«
    »Marvin der Kleiderkönig«, sagte seine Tochter mit ein wenig Zärtlichkeit, ein wenig Bedauern, etwas Ironie, einem gewissen Stolz, einem Hauch von traurigem Humor und so weiter.
    Sie sprach mit ihrem Vater von einem Arzttermin, den er am nächsten Morgen hatte, und er hörte zu, so wie man den Fernsehnachrichten zuhört und gleichgültig auf Indien starrt. Sie nahm das Tablett und ging die Treppe hoch. Brian stellte sich vor, wie er ihr im Auto folgte und rechts ranfuhr und ihren Blick auffing und dann lautstark Gas gab und sie zu einem abgelegenen Gasthaus brachte, wo sie ein Zimmer nahmen und sich gegenseitig mit den Zähnen und Zungen auszogen und die ganze Zeit kein Wort sagten.
    Er lauschte der Musik, die durchs Haus trieb, den klagenden Tasten, und schließlich kam er darauf, was da in der Geschichte von Marvins Suche lauerte, das merkwürdige Aus-Zweiter-Hand all dieser Präzisionsarbeit, des Retuschierens und der Vergrößerungen – es war eine gespenstische Wiederholung der Ermittlungen nach den politischen Morden in den sechziger Jahren. Der Versuch, einen entscheidenden Augenblick aus Fragmenten und Andeutungen wieder zusammenzusetzen – Marvin in seiner Dunkelkammer, der sich ein machtvolles Thema auslieh und es benutzte, um ein kleines, weißes, unschuldiges Objekt ausfindig zu machen, das in einem Sportstadion herumdotzte.
    »Wir kennen also die Abfolge der Ballbesitzer in den späteren Jahren«, sagte

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