Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unterwelt

Unterwelt

Titel: Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
Vom Netzwerk:
Körperteilen, daß mir der Arzt den Gruppentarif angeboten hat. Keine Sorge, Sie brauchen nicht zu lachen. Sie sollen sich nur schlecht fühlen, mehr habe ich gar nicht vor.«
    »Und Sie sind ein Dodgers-Fan, ja?«
    »War ich schon vor meiner Geburt.«
    »In Brooklyn aufgewachsen?«
    »In Brooklyn aufgewachsen, meinen Käsekuchen hole ich mir in der Bronx, fahre für dies und das auf die Lower East Side.«
    »Ein Dodgers-Fan. Aber Sie haben die Anzeigetafel von den Polo Grounds in Ihrem Keller nachbauen lassen.«
    »Zur Erinnerung«, sagte Marvin. »Oder zur Vorbereitung. Hab vergessen, welches.«
    »Ich bin nicht pensioniert. Und ich habe keine Millionen verdient. Und ich weiß nicht genau, warum ich den Ball kaufen will.«
    Das war gut. Das gefiel Marvin. Es war gut, von jemandem zu hören, der nicht über die alten Giants oder das alte New York in geistige Verzückung fiel. Es gibt Hocker, die man in speziellen Sanitätsgeschäften kaufen kann, die stellt man sich in die Dusche, damit man sich hinsetzen und die abgelegeneren Körperteile erledigen kann, ohne hinzufallen und sich eine Hüfte zu brechen, das hatte er irgendwann mal auf dem Kanal für Hüftoperationen gesehen, mit formangepaßten Sitzen und rutschfesten Beinen. Es gibt für jedes Körperteil einen Kanal.
    »Sie rufen mich aus heiterem Himmel an«, sagte Marvin. »Und Sie wollen ein Geschäft mit mir machen. Aber Sie wissen nicht warum.«
    »Stimmt genau«, sagte die Stimme.
    Gut. Denn in derselben Situation hatte sich Marvin lange befunden. Das war exakt Marvins Status. Jahrelang hatte er nicht gewußt, warum er verbrauchten Gegenständen hinterherjagte. All die rasende Leidenschaft für einen Baseball, und schließlich begriff er, daß es ihm die ganze Zeit um Eleanor gegangen war, daß da irgendein Entsetzen tief unter der Haut wühlte und ihn dazu brachte, Dinge zusammenzuraffen, Besitztümer und Habe gegen den dunklen Schatten eines untragbaren Verlustes anzuhäufen. Memorabilien. Was er in Erinnerung hatte, was in dem alten, geräucherten Leder des Fanghandschuhs im Keller weiterlebte, war die Berührung seiner Eleanor, es waren die Augen seiner Frau in den ovalen Fotografien von Männern mit Fahrradlenkerschnurrbärten. Der Zustand des Verlusts, die Tatsache, die Tatsächlichkeit in ihrer einsamen Ewigkeit. Verlust. Ein Wort, von dem er nie gedacht hätte, daß er es je gebrauchen würde, aber nun war es da, jahrelang zusammengekauert in seinem abgeschlossenen Gehirn, und kam heraus, um den Verlust zu verlängern.
    »Ich habe einen pilzförmigen Tumor.«
    »Ja.«
    »Der Arzt nennt ihn eine fungiforme Masse.«
    »Diesen Ausdruck habe ich noch nie gehört.«
    »Ich auch nicht. Steht nicht im Wörterbuch, ich hab in zwei Wörterbüchern nachgeschaut. Wenn sie sich ihre Begriffe nicht mehr aus dem Wörterbuch holen, dann heißt es, sie wünschen dir gute Reise.«
    Sie fuhren nach Chinatown. Sie fuhren in New Jersey an den Strand und aßen harpunierten Schwertfisch, der schmeckt besser, wenn der Fisch nicht in einem Netz erstickt, mit Olivenöl und Kapern, das letzte großartige Fischzeug auf Erden.
    »Ich muß Ihnen aber gleich sagen. Ich kann die wieheißtesgleich nicht komplett vorlegen.«
    »Die Abfolge.«
    »Die Abfolge. Ich habe die Abfolge der Besitzer nicht komplett bis zum Anfang.«
    Er erzählte dem Anrufer einige Dinge über den Ball. Er sagte, er würde sich kurz fassen. Und dann faßte er sich lang. Er unterhielt den Mann, warum auch nicht? Und er sah es kommen, noch während er die Einzelnummern und Dauerbrenner brachte, die zuverlässigen Pointen servierte. Ciarice würde noch vor der Wohnung ein Krankenhausbett mieten müssen, mit hohen Seitenteilen, damit er nicht herausfiel. Fremde würden kommen und ihm die Genitalien waschen, Einwanderer aus Ländern aus dem Reisekanal, sie führten ihr eigenes Leben, von dem er sich nicht eine Minute vorstellen konnte. Er würde vergessen, wie man ißt, wie man einfache Worte sagt. Sein Körper würde daliegen und versuchen, die nötigen Bestandteile zusammenzusetzen, um einen Atemzug zu tun. Einen Sauerstoffschlauch in der Nase und Bananen auf der Fensterbank, er haßt sie, wenn sie fleckig und weich sind. Ciarice legt, langsam sprechend, einen kühlen Lappen auf seinen nackten Kopf. Alles klar, es geht mir gut, alles klar. Carl in seinen gebügelten weißen Shorts und Kniestrümpfen, ein Börsenmakler, als Junge verkleidet.
    »Wollen wir über den Preis reden?« fragte die Stimme.
    Das Wort

Weitere Kostenlose Bücher