Untitled
Küche. Ein passendes schwarzes Tuch war um ihren Haa r knoten geschlungen. Ich machte mir sofort Gedan ken, wie ich sie vom Zorn Audreys fernhalten konnte, die immer noch aufgebracht war über Bennington, doch Miss Kaplan enthob mich dieser Au f gabe. Sie habe die Bücher geholt, verkündete sie, und müsse jetzt nur noch warten, bis Audrey zurückkäme, damit sie ihr helfen könne, die gekühlten Flaschen Wein zu öffnen.
Strahlend vor Vorfreude sagte Miss Ferrell: »Ich bin ja so froh, dass wir endlich mit unseren Studienberatungsaben den weite r machen.« Auf meine vage zustimmende Geste fügte sie leiser hinzu: »Hat Julian Ihnen schon die gute Nachricht erzählt?«
»Welche Nachricht?«
Sie runzelte die Stirn und kräuselte die Nase. »Vielleicht sollte Julian es Ihnen besser selbst erzählen. Wir haben es erst heute Nachmittag erfahren.« Sie kicherte. »Was für eine Halloween-Überraschung!«
Hinter meinen Augen machte sich nagende Furcht breit. Ich dachte an Julians abgehärmtes Gesicht und die Stapel von Übung s büchern. »Sie … wollten morgen früh mit mir über seine Colleg e auswahl sprechen. Wenn sich etwas geän dert hat, möchte ich es …, glaube ich, lieber gleich erfah ren. Wenn es Ihnen recht ist.«
Sie legte geheimnisvoll einen Finger auf die Lippen und führte mich in den Raum hinaus, in dem die Lesung statt finden sollte. In ordentlichen Reihen standen Stühle mit Blick auf einen Tisch und ein Rednerpult ausgerichtet. Eine Angestellte der Buchhandlung arrangierte leuchtende, duftende Blumen auf dem Tisch, an dem der Redner die ses Abends, der Autor des Buches »Der Aufstieg in die Eli teschulen«, seine Bücher signieren sollte. Abgesehen von ihr waren wir allein.
Miss Ferrell beugte sich zu mir. »Er hat ein Vollstipendium b e kommen.«
Ich fuhr vor Erstaunen zurück. »Wer? Julian? Für welche Schule?«
»Für irgendeine Schule. Jetzt kann er hingehen, wohin er möchte. Wo immer er angenommen wird. Perkins hat gerade heute Nachmittag die Benachrichtigung von der College-Bank in Princeton bekommen. Achtzigtausend Dollar, überwiesen auf ein Konto für Julian Teller.« Sie ver drehte die Augen. »Von einem anonymen Spender.«
»Weiß Julian, wer der Spender ist?« fragte ich verwirrt. General Farquhar, der Julian den Range Rover geschenkt hatte, war im G e fängnis und konnte nicht über sein Geld verfügen, das Anwalts- und Gerichtskosten ohnehin weit gehend aufgezehrt haben dürften. Ein anderer möglicher Gönner fiel mir nicht ein, es sei denn, es käme von einem wohlhabenden Spender an der Schule. Aber wieso ein Sti pendium für Julian? Ich war völlig verblüfft. Es sei denn, je mand wollte etwas von ihm … In meinem Kopf wirbelten die G e danken wild durcheinander. Sollte Julian bestochen werden, irgend etwas zu tun? Über etwas Stillschweigen zu bewahren? Ich schloss die Augen, um den Stimmen in mei nem Kopf Einhalt zu gebieten. In Anbetracht der jüngsten Ereignisse in der Schule lauerte der Verfolgungswahn hin ter jeder Ecke.
»Ist Julian hier?« fragte ich hoffnungsvoll.
Miss Ferrells Lächeln verblasste. Vielleicht entsprach meine Reaktion nicht ganz ihren Erwartungen. »Das weiß ich wirklich nicht. Was ist? Sind Sie nicht begeistert?«
»Doch, doch«, erklärte ich wenig überzeugend. In wahr haft paranoider Art hatte ich das Gefühl, niemandem trauen zu können. »Es ist nur … ich muss mit ihm sprechen. Und jetzt muss ich mich um das Essen kümmern. Fröhliches Halloween.« In meinem Kopf schwirrte es immer noch, als ich wieder in die Küche schlüpfte.
Heather kam zu mir, während ich das Obst anrichtete. Sie rückte ihre dicke, rosa getönte Brille zurecht und flü sterte: »Sie haben Miss Ferrell doch nicht erzählt, wie wü tend Mama war, oder?«
»Nein, nein, nein …« Wieso glaubten diese Teenager eigen t lich, ich sei die Klatschtante der Stadt, zuerst Brad und jetzt Heather. Vielleicht war Verfolgungswahn ja an steckend. »Miss Ferrell hatte mir etwas anderes zu sagen«, erklärte ich ihr.
»Ich habe von Julians Stipendium gehört. Es soll alles ganz geheim sein.« Heather bedachte mich mit einem spöt tischen Blick. »Einer der Jungs meinte, es käme vielleicht von Ihnen, aber der Sohn des Direktors sagte nein, Sie sind arm.«
Audrey enthob mich einer Antwort auf diese ungünstige Ei n schätzung meiner Finanzlage, indem sie verkündete, es gebe da ein Riesenproblem, wo wir das Büfett
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