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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: nanu
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wie Immobilien. Die Lage ist alles, die Lage, die Lage!«
    Audrey wisperte mir zu: »Geh zwei Treppen hinunter, dann kommst du zu den Kochbüchern.«
    »Was ist auf der Tür, ein Poster von Julia Child?«
    »Sie dekorieren sie einfach als Kühlschranktür.« Sie schielte zu dem Redner hinüber. »Ich kümmere mich um alles. Du bleibst aber besser nicht länger als eine halbe Stunde fort.«
    Ich dankte ihr, dass sie eine so hervorragende Assistentin war, und ging durch die »Schweigen-der-Lämmer«-Tür. Mit einem dumpfen, entschiedenen Schlag fiel sie hinter mir ins Schloss. Eine schuldbewusste Freude, mich meinen Pflichten zu entziehen, ließ mich schnell die Betontreppe hinunterlaufen. In der Kochbuc h abteilung fühlte ich mich gleich wie zu Hause. Ich suchte ein Rezept für Piroggen her ­ aus und blätterte ein wunderschön illustriertes Buch über die Küche italienischer Bergstädte durch. »Schulen Sie Ihren Gaumen« hieß ein Kapitel des Buches. Ich setzte mich in einen Sessel, der neben einem Schaufenster stand.
    Die Scheibe warf mein Spiegelbild im Arbeitskittel zurück, das Kochbuch in der Hand. Schulen Sie Ihren Gau ­ men, hmh? Ich hatte nie eine Ausbildung als Köchin er ­ halten. Ich hatte mir das Kochen selbst nach Kochbüchern beigebracht. Aber ich lebte davon. Natürlich hatten mir meine Lektionen zu Chaucer, Milton und Shakespeare da ­ bei nicht geholfen, auch wenn sie Spaß gemacht hatten, bis auf Milton. Und dass mein psychologisches Geschick, das ich im Geschäft brauchte, nichts mit meinen Aufsätzen über die frühen Ideen von Freud zu tun hatte, bedarf keiner Er ­ wähnung.
    Doch was soll’s. Ich besaß Bildung, und zwar selbst erklärte r maßen. Basta. Mit dieser herrlichen Einsicht ging ich zu den Kassen im Erdgeschoss, um das italienis che Koch buch zu kaufen, als mir einfiel, dass ich mein Portemonnaie oben gelassen hatte. Ich griff in meine Schürzentasche, in der immer ein Zwanzigdolla r schein steckte für den Fall, dass jemand noch schnell Zutaten ei n kaufen musste, und hatte die Genugtuung, das Buch mit Geld zu bezahlen, das ich im Partyservice verdient hatte.
    Als ich wieder an Hannibal Lecter vorbeiging, stand Tom Schulz wartend neben der Tür. Der Redner sagte: »Eine letzte Frage noch«, und kurze Zeit später liefen die Eltern aggressiv durc h einander und stellten sich an, um sich von diesem Experten eine Widmung in ihr Buch schreiben zu lassen. Audrey und einige andere Angestellte begannen die Stühle zusammenzuklappen.
    »Ich bin froh, dich zu sehen«, sagte ich zu Schulz. Ich sah mich in dem in Auflösung begriffenen Saal um. »Ich müsste ihnen eigentlich helfen.«
    Schulz schüttelte den Kopf. »Das Essen ist fort, die Leute gehen, und du musst mir ein paar Disketten geben, damit ich sie heute Abend noch im Büro des Sheriffs abliefern kann.«
    »Ach du meine Güte«, platzte ich heraus. Wie dumm, dumm, dumm. Warum hatte ich sie nicht mit ins Erdgeschoss genommen? Ich flog in die Küche. Keine Handtasche. Ich raste zurück zu Audrey.
    »Hast du meine Handtasche gesehen?« fragte ich.
    »Ja, ja«, antwortete sie gouvernantenhaft und ließ einen Metal l stuhl zuschnappen. »Aber lass sie nicht wieder so of ­ fen heru m liegen, Goldy. Die Jugendlichen an dieser Schule sind berüchtigt für ihr Stehlen. Ich nehme immer nur eine Handtasche mit, wenn ich meine Brieftasche mit all mei ­ nen Karten brauche. Ansonsten trage ’ich meine Schlüssel.« Sie ging an einen Wandschrank und kam mit meiner Hand ­ tasche zurück. Ich riss sie ihr förmlich aus der Hand. Die Computerdisketten waren noch da.
    Ich reichte Schulz die Disketten. Er hatte nichts davon gesagt, ob er anschließend zu mir kommen wollte. Vielleicht wollte er ja nicht. Ich wurde sofort verlegen, als hätte ich eine unsichtbare, aber entscheidende Grenze übertreten.
    Wieder einmal las er meine Gedanken. Er beugte sich zu mir und flüsterte: »Kann ich in anderthalb Stunden zu dir nach Hause kommen?«
    »Sicher. Kannst du ein Weilchen bleiben?«
    Er sah mich so zärtlich und ungläubig an, als wolle er sa ­ gen: Was glaubst du denn?, dass ich mich abwendete. Als ich mich wieder umdrehte, warf er mir einen Gruß zu und schlenderte durch den Ausgang des zweiten Stocks. Julian war schon fort, vermutlich zu seinem Freund Neil; die Marenskys und die Dawsons waren ebenfalls verschwunden. Es war Greer wieder einmal anzukreiden, dass sie nicht beim Aufräumen geholfen hatte. Vielleicht war das für eine Zu ­

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