Untitled
Burschen von der Straße durch den Kopf. Er stand wieder auf und zog aus der Futtertasche auf der Innenseite des Koffers einen Brief. Den hatte ihm sein Freund Gigi Piràn im vergangenen Monat geschickt. Gigi war ein ganzes Jahr lang in Montelusa als Beamter der Präfektur tätig gewesen. Es war ein langer Brief, und Giovanni hatte ihn als eine Art Verhaltensführer mitgebracht.
»Die vielen Müßiggänger der Stadt gehen unterdessen auf und ab, immer im gleichen Trott, vor Langeweile zusammenbrechend, mit dem Automatismus von Schwachsinnigen, auf und ab auf der Hauptstraße, der einzig ebenen in diesem Ort, mit dem schönen griechischen Namen Via Atenea, die allerdings genauso eng ist wie die anderen und voller Windungen.« Todmüde von der Reise und dem im Finanzpräsidium verbrachten Tag machte er das Licht aus und schickte sich an zu schlafen.
Kaum hatte das Dienstmädchen Catarina erzählt, was sie von ihrer Mutter Pippineddra über die morgendlichen Besuche Donna Trisìnas in der Sakristei gehört hatte, wurde Signoradonna Romilda Brucculeri totenbleich und schloß sich ins Schlafzimmer ein. Dabei schlug sie die Türe so fest zu, daß ein Stück Putz auf den Boden fiel. So kam es, daß der Cavaliere, ihr Gatte, als er zum
Abendessen nach Hause zurückkehrte, seine Rechtmäßige nicht in der Küche vorfand. »Wo ist die Signora?« fragte er Catarina.
»Im Schlafzimmer.«
Er ging hinüber. Seine Frau lag ausgestreckt auf dem Bett, bei gelöschter Lampe. »Was ist mit dir, Romildù?«
»Nichts. Nur ein bißchen Kopfschmerzen.«
»Kommst du nicht zum Essen?«
»Nein. Hab' keinen Appetit.«
Der Cavaliere aß allein. Catarina wußte, wie man in der Küche hantierte, und ihr Herr wollte ihr danken, indem er seine Hand über ihre Pobacken gleiten ließ, die hart wie Eisenerzgestein waren. Übrigens auch die Brüste. Die Kleine lächelte ihn an.
»Morgen früh, wenn die Signora zur Messe ist?« fragte der Cavaliere voller Hoffnung. »Wie Euer Ehren will.«
Der Pakt war geschlossen. Der Cavaliere ging auf den Abort, säuberte sich wie ein frischgebackener Ehemann und schlüpfte ins Bett. Es war Samstagabend, und daher mußte er der ehelichen Pflicht nachkommen. In der Hand spürte er noch die Festigkeit der Pobacken des Dienstmädchens und stellte sich vor, was sie am nächsten Morgen miteinander treiben würden, wenn seine Frau die Messe hörte. Er fühlte, daß seine Waffe strotzte. Seine Gattin, die sich inzwischen ausgezogen hatte und unter die Bettücher geschlüpft war, hatte ihm den Rücken zugekehrt. Er streckte eine Hand aus und legte sie auf die üppige Hüfte seiner Frau. »Was machst du, Romildù, schläfst du?«
»Ja.«
»Und wie ist es mit einem ganz kleinen Küßchen?«
»Ich hab' dir gesagt, ich hab' Kopfschmerzen, langweil' mich nicht.«
Der Cavaliere zog seine Hand zurück. Na, dann nicht, dann geht das gesamte Aufgesparte eben an Catarina, das Dienstmädchen.
Don Memè Moro hatte zum Mittagessen nichts angerührt. Nach dem Ärger im Gericht über das Urteil, das ihn um ein weiteres Grundstück zu Gunsten von Padre Carnazza enteignete, stand ihm der Sinn nicht nach Essen. Er saß da mit weit aufgerissenen Augen und antwortete nichts auf die besorgten Fragen seiner Frau. Früh am Nachmittag ging er in das Haus auf dem Landstück Pircoco, das ihm für den Augenblick noch gehörte, und schloß sich darin ein. Er war bereit, seine Eier zu verwetten, daß der Schiedsentscheid für ihn mistig ausgehen würde. Um seine Nervosität ein bißchen loszuwerden, holte er aus dem Beutel den Revolver hervor, den er immer bei sich trug, und schoß der Reihe nach auf einen Baum, eine Eidechse, einen Spatz, einen Stein, einen verrosteten Eimer und einen streunenden Hund. Dann wurde er im wahrsten Sinn im Kopf verrückt. Er jaulte so laut auf, daß man ihn für einen hungrigen Wolf hätte halten können, sprang an die zehnmal in die Luft, spuckte hoch und stellte sich darunter, so daß die Spucke ihn voll traf, er pinkelte sich voll, fing an zu weinen und, Rotz und Wasser heulend, führte er den Lauf des Revolvers an die Schläfe und zog ab. Klick. Bevor er ohnmächtig vor Angst zur Erde stürzte, hatte er noch Zeit zu denken, daß das Magazin nur sechs Schüsse enthielt. Gegen acht Uhr abends kehrte er nach Hause zurück. Er bot einen entsetzlichen Anblick: sein Haar stand zu Berge, seine Augen waren irre, ein konvulsivisches Zittern schüttelte ihn. Seine Frau legte ihre
Weitere Kostenlose Bücher