Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
Vom Netzwerk:
zweimal so hoch wie das Boot selbst. Er klappte seinen Rachen auf und zu, und seine gewaltigen Flossen bewegten sich mit einer unglaublichen Geschwindigkeit über das Eis. Das Boot geriet ins Schleudern, und die Besatzung klammerte sich am Rand fest, um nicht hinauskatapultiert zu werden. Dem Tier kam es nicht in den Sinn, kehrtzumachen und das Boot anzugreifen. Ein Walbulle lag auf dem Rücken und schlug im Todeskampf mit den Flossen. Die Jäger stiegen aus ihren Booten und näherten sich dem Riesen mit langen Lanzen und blitzenden Messern. Die Männer wirkten neben dem Monstrum wie Zwerge. Die Jacht hatte die Walkälber fast eingeholt.
    Arflanes Augen nahmen eine Bewegung auf der Steuerbordseite wahr. Ein riesiger Bulle bewegte sich in die Fahrtrichtung der Jacht und zog ein Beiboot hinter sich her. Ein Zusammenstoß war unvermeidlich.
    Verzweifelt riß er das Steuerrad herum. Die Kufen knarrten, als die Jacht nur um Haaresbreite den Wal verfehlte. Arflane sah jetzt die Insassen des Beiboots. Am Bug stand Kapitän Brenn, eine Harpune wurfbereit in der Hand. Sein Gesicht sah verzerrt aus, während das Tier das Beiboot wie ein Spielzeug an einer Harpunenleine hinter sich herzerrte. Das plötzliche Erscheinen der Jacht machte den Wal stutzig. Er wälzte sich herum, bis seine winzigen Augen Brenns Boot wahrnahmen. Und dann schoß er mit weitgeöffnetem Rachen auf das Beiboot zu. Arflane hörte den Kapitän und die Besatzung schreien. Dann sah er Brenn aus dem Boot und auf das Eis stürzen. Er wollte sich in Sicherheit bringen, aber da entdeckte ihn der Wal und öffnete erneut den Rachen. Arflane schloß die Augen und hätte sich am liebsten auch die Ohren zugehalten, um nicht den gellenden Schrei zu hören. Aber er durfte das Rad nicht loslassen. Instinktiv wollte er seinem Freund zu Hilfe eilen, doch es war viel zu spät dazu.
    Die Masse des Wals ragte jetzt dicht neben der Jacht auf. Arflane sah, daß nicht mehr Urquart hinter der Bugharpune stand, sondern Manfred Rorsefne, der die Harpune schußbereit machte. Arflane griff nach dem Megaphon und brüllte: »Seien Sie kein Narr, Rorsefne! Nicht schießen!«
    Der andere hörte ihn, machte aber nur eine wegwerfende Handbewegung.
    Arflane versuchte, die Jacht rechtzeitig zu wenden, aber es
    war schon zu spät. Das ganze Boot zitterte, als die Harpune die Kanone verließ, die Leine hinter sich herriß und sich tief in die Flanke des Wals bohrte.
    Das Monstrum stellte sich auf die Hinterflossen und brüllte schrill. Die Jacht verschwand nahezu vollkommen in seinem Schatten. Die Leine ruckte an und zog die Vorderkufen der Jacht hoch. Dann war die Leine wieder locker, Rorsefne hatte sie nicht gesichert, und das Boot prallte auf die Eisfläche. Der Walbulle kam herunter und griff das Boot mit auf- und zuklappendem Rachen an. Es gelang Arflane, das Boot im letzten Augenblick herumzureißen. Der riesige Rachen verfehlte den Bug, doch der Körper des Wals schmetterte gegen die Steuerbordseite. Die Jacht schaukelte, schien umkippen zu wollen, fing sich aber wieder.
    Manfred Rorsefne werkte an der Walkanone herum und wollte eine neue Harpune einlegen. Da knickten die Verstrebungen der Steuerbordkufen ein; das Deck rutschte zu einem steilen Winkel ab. Arflane wurde gegen das Schott geschleudert, als die Jacht seitwärts über das Eis rutschte und gegen den Wal prallte, der zum zweitenmal angreifen wollte.
    Arflane bekam die Reling zu fassen und zog sich zur Brücke hinauf. Sein einziger Gedanke war, Ulrica Ulsenn zu retten. Als er hinaufkletterte, starrte er in das entsetzte Gesicht von Janek Ulsenn. Er wich aus und ließ den Mann an sich vorbei. Oben sah er Ulrica neben der Reling liegen.
    Er rutschte über das schräge Deck auf sie zu. Sie war nicht tot, hatte aber eine Beule auf der Stirn.
    Er betrachtete sekundenlang das hübsche Gesicht, hob sie hoch und schwang sie über seine Schulter, als der Wal aufheulte und auf die Jacht lospreschte.
    Die Besatzungsmitglieder klammerten sich an der Backbordreling fest, sprangen dann über Bord auf das Eis und rannten um ihr Leben. Manfred Rorsefne, Urquart und Haeber waren nirgendwo zu sehen, aber Arflane entdeckte Janek Ulsenn, dem zwei Besatzungsangehörige von dem demolierten Boot halfen. Er kletterte das schräge Deck hinauf und hatte fast die Reling erreicht, als der Wal gegen den Bug der Jacht prallte. Arflane stürzte rücklings gegen das Steuerhaus und sah nur einen Meter entfernt den Kopf der Kreatur.
    Arflane ließ Ulrica los.

Weitere Kostenlose Bücher