Untitled
Sie schlug hart auf und rollte zum Bug. Er kroch hinter ihr her und bekam ihr langes Kleid zu fassen. Wieder bekam das Boot Schlagseite, neigte sich diesmal zum Bug, doch Arflane konnte sich rechtzeitig am Hauptmast festhalten, sonst wäre er direkt in den Rachen des Wals katapultiert worden. Mit einem Arm Ulrica umklammernd, sah er sich nach einer Fluchtmöglichkeit um.
Als der Wal den Kopf drehte und mit seinen kleinen, schmerzglitzernden Augen Arflane ansah, packte dieser die Steuerbordreling und schwang sich samt Ulrica Ulsenn darüber hinweg. Er dachte jetzt nur noch daran, dem Wal wenigstens einige Augenblicke lang zu entkommen.
Sie stürzten schwer auf die dünne Schneedecke. Er raffte sich auf, schwang Ulrica wieder über seine Schulter und begann davonzustolpern. Seine Stiefelsohlen glitten auf dem Eis aus. Vor ihm lag eine Harpune, die von der Jacht gerutscht sein mußte. Er hob sie auf und stolperte weiter. Der Wal hinter ihm schnaufte; Arflane hörte das Patschen der riesigen Flossen, spürte das Vibrieren des Eises, als der Wal ihnen folgte. Er machte kehrt, schleuderte Ulrica so weit wie möglich von sich und hob seine Harpune. Er hatte nur die Chance, ein Auge der Kreatur und somit das Gehirn zu treffen. Er mußte den Wal töten, bevor er von ihm getötet wurde; dann war auch Ulrica gerettet.
Er schleuderte die Harpune auf das rechte Auge des Wals. Die Spitze traf, drang aber nicht bis ins Gehirn. Der Wal machte halt und versuchte, die Harpune aus seinem geblendeten Auge zu schütteln. Dann sah das linke Auge Arflane.
Die Kreatur schnaufte und stieß einen schrillen Quieklaut aus.
Da nahm Arflane zu seiner Rechten eine Bewegung wahr. Der Wal sah sie auch, riß den Kopf zur Seite und öffnete den Rachen.
Urquart, seine mächtige Harpune in der Faust, rannte von der Seite auf den Wal zu und sprang in Nähe der flachen Schwanzflosse auf seinen Rücken. Der Wal wälzte sich instinktiv herum, als er die kleine Kreatur spürte, die sich weiter seinen Rücken hinaufbewegte. Dann konzentrierte sich der Blick des ihm verbliebenen Auges wieder auf Arflane, der seinerseits fasziniert auf Urquart starrte. Urquart richtete sich nun auf, packte mit beiden Händen seine Harpune und stieß sie mit voller Kraft in die Wirbelsäule des Tieres.
Die Wirkung blieb nicht aus. Das Blut schoß in einer Fontäne aus der Wunde, und die Bewegungen des Wals wurden sichtbar schwächer. Ulrica Ulsenns goldbraune Augen blickten Arflane an. Er ging auf sie zu, nahm sie in seine Arme, während der Wal brüllend sein Blut verströmte.
Arflane preßte Ulrica an sich. Sie zitterte und schluchzte. Er hielt sie einige Minuten lang und hatte die Augen geschlossen, bis er hörte, daß die anderen nähergekommen waren.
Neben Urquart, dessen Gesicht so ernst war wie immer, stand Manfred Rorsefne. Der linke Arm des jungen Mannes baumelte schlaff herunter, sein Gesicht war blaß vor Schmerz, doch seine Stimme hatte ihren leicht ironischen Tonfall behalten. »Verzeihen Sie die Störung, Kapitän, aber ich finde, wir sollten uns um den edlen Lord Janek kümmern …«
Zögernd ließ Arflane Ulrica los. Sie hielt noch eine Sekunde seinen Arm fest, und ihr Körper entspannte sich, als sie ihren Cousin erkannte.
Arflane drehte sich um und sah die tote Masse des Monstrums nur wenige Schritte von sich entfernt. Zwei seiner Männer kamen um den Kadaver herum und hatten Janek Ulsenn in ihrer Mitte. Er hatte sich ein Bein gebrochen, vielleicht
sogar beide.
»Haeber ist tot«, sagte Manfred. »Und die halbe Besatzung.« »Wir haben alle den Tod verdient«, grollte Arflane. »Ich wußte, daß das Boot zu zerbrechlich war. Und Sie sind ein Narr, weil Sie die Harpune benutzt haben! Hätten Sie den Wal nicht herausgefordert, hätte er möglicherweise einen Bogen um unser Boot gemacht.«
»Seien Sie nicht undankbar, Kapitän«, sagte Rorsefne. »Wir hätten ein paar herrlich aufregende Minuten versäumt …« Janek Ulsenn musterte seine Frau und las in ihrem Gesicht etwas, das ihn stutzig machte. Er blickte Arflane fragend an. »Deine Frau ist noch ganz, Janek«, sagte Manfred Rorsefne. »Zweifellos hast du dir Gedanken um sie gemacht, nachdem du sie auf der Brücke allein zurückgelassen hattest …«
Arflane sah Rorsefne an und fragte: »Woher wollen Sie das so genau wissen?«
Manfred lächelte. »Ich war die Takelung hinaufgeklettert und hatte einen guten Überblick. Ich sah alles, mich sah niemand.« Sein Blick wechselte auf Janek Ulsenn
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