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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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nur die Achseln.
    »Wir müssen ihnen etwas zu tun geben«, murmelte Arflane. »Oder wir müssen ihnen etwas erzählen, das ihre Laune bes sert. Diese Unterhaltung da unten ist der Auftakt zu einer Meuterei, Urquart.«
    »Aye, Sir.« Urquarts Stimme klang beinahe selbstgefällig.
    Arflane rief dem Zweiten Offizier auf dem Achterdeck zu: »Trommeln Sie die Leute zusammen, Hinsen. Ich möchte zu ihnen sprechen.«
    »Alles antreten!« schrie Hinsen durch sein Megaphon. »Vor der Brücke! Der Kapitän will ein paar Worte sagen.«
    Mürrisch versammelten sich die Leute, und viele blickten Arflane unverhohlen feindselig an. Die Leute, die Ulsenn und Petchnyoff zugehört hatten, stellten sich hinter den schon versammelten Männern auf.
    »Petchnyoff, Sie kommen nach oben!« Arflane blickte den Ersten Offizier scharf an. »Sie auch, Hinsen. Und Sie gehen auf Ihren Posten, Bootsmann!«

    Langsam kam Petchnyoff der Aufforderung nach. Als alle Offiziere auf der Brücke versammelt waren, räusperte sich Arflane, legte beide Hände auf die Reling, beugte sich vor und blickte auf die Männer hinab.
    »Ich sehe, daß ihr schlechte Laune habt, Leute. Die Sonne ist zu heiß und der Wind zu schwach. Gegen beide Dinge gibt’s kein Mittel. Es herrscht eben Flaute. Wir haben schon ein, zwei ekelhafte Gefahren überwunden. Dies ist keine Gefahr, sondern nur eine Flaute. Früher oder später wird wieder Wind aufkommen.«
    »Aber wann, Sir?« rief einer der Leute, die sich mit Ulsenn unterhalten hatten, hinauf.
    »Vielleicht bekommen wir ein wenig Wind, wenn die Disziplin an Bord dieses Schoners aufgefrischt wird ! Wenn einige von euch nicht schnell genug von hier wegkommen können, dann steigt ab und zieht den Schoner zu seinem Bestimmungsort!«
    Ein anderer Mann murmelte etwas. Fydur machte: »Pssst!«
    Arflane beugte sich noch weiter vor. »Was war denn das, Bootsmann?«
    »Er wollte wissen, was und wo unser Bestimmungsort ist, Sir.«
    »Gut. Darum habe ich euch zusammengerufen«, fuhr Arflane fort. »Wir sind auf dem Weg nach New York.«
    Einige Männer lachten laut heraus. Auf dem Weg nach New York … Das war gleichbedeutend mit Sterben beziehungsweise »zur Mutter des Eises gehen«.
    »New York«, wiederholte Arflane, die Männer musternd. »Wir haben Karten an Bord, auf denen die Position New Yorks eingetragen ist. Wir segeln nach Norden – und nach New York. Irgendwelche Fragen?«
    »Aye, Sir. Es heißt, daß es in dieser Welt kein New York gibt, Sir. Es heißt, daß New York im Himmel oder irgendwo ist …« Der hagere Matrose, der so redete, hatte eine armselige Vorstellung von metaphysischen Zusammenhängen.
    »New York existiert genauso wie Sie existieren«, versicherte ihm Arflane. »Lord Pyotr Rorsefne hat die Stadt gesehen. Und er kam von dort, als ich ihn auf dem Eis fand. Er hat in seinem Testament bestimmt, daß wir nach New York segeln sollen. Erinnert ihr euch? Das Testament wurde sofort nach dem Tod des Lords verlesen.«
    Die Männer nickten und unterhielten sich gedämpft.
    »Soll das heißen, daß wir vor dem Gericht der Mutter des Eises stehen werden?« fragte ein anderer Mann. »Wahrscheinlich«, entgegnete Arflane ernst.
    Das Gemurmel wurde lauter und lauter. Arflane ließ die Leute eine Weile reden. Die meisten von ihnen hatten diese Neuigkeit anfangs skeptisch aufgenommen, doch nun begannen einige erwartungsvoll zu grinsen; ihre Einbildungskraft hatte kapituliert.
    Nach einer Weile befahl Arflane dem Bootsmann, die Leute zu beruhigen. Als das Gemurmel verstummt war und noch ehe Arflane etwas sagen konnte, hörte er die klare, verächtlich klingende Stimme Janek Ulsenns, der am Besanmast lehnte. »Vielleicht liegen wir deshalb in einer Flaute fest, Kapitän!« Arflane runzelte die Stirn. »Was meinen Sie damit, Lord Ulsenn?«
    »Mir scheint, wir haben deshalb keinen Wind, weil die Mutter des Eises uns keinen Wind schickt, was soviel bedeutet, daß Sie uns in New York nicht zu sehen wünscht!« Ulsenn spielte absichtlich auf den Aberglauben der Mannschaft an. Diese neue Möglichkeit ließ sie wieder aufgeregt durcheinanderreden.
    Diesmal ermahnte Arflane die Leute mit Donnerstimme zur Ruhe. Er funkelte Ulsenn an und wußte keine Antwort, mit der die Leute sich zufriedengeben würden.
    Da trat Urquart vor und lehnte seine Harpune an die Reling. Er trug nach wie vor seinen Pelz und schien mit seinen kalten, blauen und ruhigen Augen eine Art Halbgott des Eises zu sein. Die Männer verstummten schlagartig, als sie

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