Untitled
Manfred Rorsefne den Rudergänger bestochen haben, wenn er sich mit den Karten befassen wollte. Arflane wußte nicht genau, wem er Vorwürfe machen sollte.
Er tippte mit seinen behandschuhten Fingern auf den Karten
tisch. »Wir werden uns morgen mit dieser Angelegenheit be
fassen, Petchnyoff.«
»Aye, aye, Sir.«
Als er das Steuerhaus verließ, hörte Arflane den Ausguckposten rufen. Seine Stimme war in dem Graupelregen nicht sehr laut, aber doch klar und deutlich zu hören: »Eisbruch! Eisbruch!«
Arflane rannte zur Reling und blickte nach vorn. Ein Eisbruch in der Nacht war schlimmer als am Tag. Der Schoner bewegte sich langsam, vielleicht konnte man noch die Greifanker werfen. »Alle Mann an Deck!« rief er hinauf. »Alle Mann
an Deck, Petchnyoff!«
Petchnyoffs Stimme bellte durch das Megaphon und wiederholte den Befehl des Kapitäns.
Verwirrt, noch im Halbschlaf, rannten die Männer in der Dunkelheit durcheinander. Dann rutschte das Schiffsdeck nach einer Seite ab, und Arflane wurde zu Boden geschleudert. Er rutschte zur Seite, bekam die Reling zu fassen und richtete sich daran auf. Die Männer schrien panikerfüllt.
In dem Stimmengewirr hörte Arflane das Knacken und Krachen des Eises, dazwischen ein Quirlen und Gurgeln, als das dünne Eis nachgab. Der Schoner kippte weiter nach Backbord ab.
Arflane fluchte heftig, als er vom Steuerhaus wegrutschte. Es war zu spät, um noch die schweren Anker zu werfen, denn um so rascher wäre der Schoner gesunken.
Er sprang auf, rannte ins Steuerhaus, griff nach dem Megaphon und rannte zur Brücke zurück.
»Alles auf die Steuerbordseite! Eisbruch! – Eisbruch!«
Irgendwo rief Petchnyoff den Leuten ähnliche Befehle zu, als die Leute mit den Leinen der Greifanker zur Steuerbordseite rannten. Sie kannten ihre Aufgaben. Sie mußten mit den Leinen über Bord klettern und dann versuchen, das Schiff zurückzuziehen. Das war die einzige Rettungsmöglichkeit – wenn überhaupt.
Wieder krachte das Eis; der Schoner sackte durch. Eisstücke tauchten auf und drückten gegen den Rumpf des Schoners. Das Wasser begann über das Deck zu rieseln.
Arflane schwang die Beine über das Brückengeländer und sprang aufs Deck hinunter. Die Steuerbordkufen hoben sich in die Luft, der Schoner drohte zu kentern.
Hinsen erschien, halbangekleidet, neben Arflane. »Sieht böse aus, Sir. Wir sitzen verdammt tief drin. Wenn das Eis direkt unter uns bricht, haben wir keine Chance …«
Arflane nickte kurz. »Steigen Sie über Bord und helfen sie den
anderen ziehen. Kümmert sich jemand um die Passagiere?« »Ich glaube ja, Sir.« »Ich sehe nach. Tun Sie Ihr Bestes, Hinsen.«
Arflane rutschte auf die Tür unterhalb der Brücke zu, stieß sie auf und ging zu den Passagierkabinen.
Er ging an Manfred Rorsefnes und Ulsenns Kabine vorbei.
Dann stieß er die Tür von Ulrica Ulsenns Kabine auf und stürzte
hinein.
Es war niemand da.
Arflane fragte sich verwirrt, ob seine Passagiere das Schiff schon vor dem Eisbruch verlassen hatten.
14
Der gewaltige Schoner schwankte heftig und schleuderte Arflane gegen den Türrahmen von Ulrica Ulsenns Kabine. Da wurde Rorsefnes Kabinentür geöffnet. Manfred hatte eine stark blutende Kopfverletzung. Er wollte Arflane in gewohnter Manier angrinsen, wurde aber in den Gang hinausgeschleudert und krachte gegen die Wand.
»Wo sind die anderen?« schrie Arflane durch das Krachen
und Prasseln des Eises.
Rorsefne schüttelte den Kopf.
Arflane stolperte auf Janek Ulsenns Kabine zu und griff nach dem Türknopf. Der Schoner bekam wieder Schlagseite, diesmal nach Steuerbord. Er riß die Tür auf und sah Janek Ulsenn und seine Frau an der hinteren Wand der Kabine. Ulsenn wimmerte, und Ulrica versuchte, ihn aufzurichten. »Was ist geschehen?« fragte Ulrica.
»Eisbruch«, entgegnete Arflane gepreßt. »Der Schoner ist schon halb im Wasser. Sie müssen sofort von Bord. Sagen Sie das Ihrem Mann.« Dann packte er Ulsenns Joppe, zog den verstörten Mann hoch und warf ihn sich über die Schulter. Er deutete in den Gang hinaus. »Helfen Sie Ihrem Cousin, Ulrica. Er ist verletzt.«
Sie nickte, rappelte sich selber auf und folgte ihm hinaus.
Manfred versuchte zu lächeln, als er sie aus der Kabine kommen sah, aber sein Gesicht war grau, und er konnte kaum auf den Beinen stehen. Ulrica nahm seinen Arm.
Als sie endlich auf dem schwankenden Deck waren, kam Urquart hinzu. Der Harpunier schulterte seine Harpune und war Ulrica behilflich, die sich um den fast ohnmächtigen
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