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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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sich, als sie den Wind fingen. Der Schoner glitt jetzt schneller den steiler werdenden Hang hinunter.
    Arflane atmete auf, als das Steuern spürbar leichter wurde und sie nicht mehr so große Mühe hatten, das Schiff auf Kurs zu halten. Doch nun bestand die Gefahr, daß sie in voller Fahrt gegen ein Hindernis rasten.
    »Gehen Sie an Deck, Hinsen«, befahl Arflane dem verstörten Zweiten Offizier. »Sagen Sie Urquart, er soll sich mit einem Megaphon bewaffnen und Ausschau halten!«
    Die Eisflächen zu beiden Seiten des Schoners glitten rasend schnell vorbei. Arflane sah Urquart in den Fockmast klettern. Das Schiff machte einen Satz und schlug krachend wieder auf; aber es ließ sich nun leichter steuern, und Hindernisse waren vorerst noch nicht zu sehen.
    Urquarts Gesicht war vollkommen ruhig, als er zum Steuerhaus blickte, doch die Besatzungsmitglieder waren im Schweigen erstarrt. Arflane lächelte über die Angst der Leute, konnte aber nicht verhindern, daß ein Bruchteil ihrer Panik auch auf ihn übersprang.
    Eine Stunde lang setzte der Schoner seine Talfahrt fort. Es war noch kein Ende abzusehen; die Geschwindigkeit schien ständig zuzunehmen. Der Schoner ließ sich nun leicht steuern, denn die Kufen glitten fast schwerelos über das Eis. Arflane beschloß, Hinsen das Steuer zu übergeben, worüber der Zweite Offizier nicht sehr erbaut zu sein schien.
    Arflane ging nach vorn und kletterte zu Urquart hinauf.
    Der Harpunier lächelte unmerklich und sagte anerkennend: »Sie sind in einer wilden Stimmung, Kapitän.«
    Arflane grinste. »Ich zeige diesen Schlappschwänzen nur, was man unter einem Eissegler versteht. Das ist alles.« Die Eisfläche vor ihnen fiel stark ab, und das schien in alle Ewigkeit so weiterzugehen. Eisstückchen sprühten wie Hagelkörner auf das Deck. Ein Stück schlug Arflane eine Lippenplatzwunde, aber er spürte es kaum.
    Dann wurde das Gefalle geringer und das Eis gröber, doch der Schoner behielt seine Geschwindigkeit noch bei und hob und senkte sich, als würde er von Meereswellen getragen. Dieses Gefühl schien Arflanes gute Laune noch zu erhöhen. Sein Körper entspannte sich. Die Gefahr war so gut wie vorbei. Er summte eine Melodie vor sich hin und spürte förmlich, wie die Spannung nachließ.
    Einige Zeit später sagte Urquart ruhig: »Sehen Sie, Kapitän.« Arflane sah, daß Urquarts Augen sich geweitet hatten, als er nach vorn deutete. Er sah genau in Kursrichtung einen dunkelgrünen Strich und konnte es nicht glauben.
    Urquart sprach es aus. »Eine Schlucht, Kapitän. Sieht ziemlich breit aus. Wir werden nie darüber hinwegkommen.« Ein neuer Spalt mußte im Eis entstanden sein, der noch nicht in der Karte eingetragen war. Arflane fluchte über seinen Leichtsinn. Er hätte mit einer derartigen Überraschung rechnen müssen, besonders in einem Gelände wie diesem.
    »Und wir werden nicht mehr rechtzeitig bremsen können.« Arflane bemühte sich, ruhig zu bleiben. Er sprang auf das Deck hinunter und hoffte, daß die Männer diese Schlucht nicht sehen würden. »Auch die schweren Anker können den Schoner nicht stoppen; wir würden sie nur mitreißen und hinunterkippen.« Arflane wußte, daß er nichts mehr unternehmen konnte. Nun sahen auch die Männer die Schlucht und schrien entsetzt auf. Sie wußten ebenfalls, daß jedes Steuermanöver sinnlos war. Als Arflane die zur Brücke führende Treppe erreicht hatte, eilten Manfred Rorsefne und die Ulsenns an Deck.
    »Was ist los, Kapitän?« rief Manfred ihm zu, als er die Treppe hinaufzusteigen begann.
    Arflane lachte bitter. »Blicken Sie doch mal nach vorn!« rief er zurück. Er rannte ins Steuerhaus und löste den kreideweiß gewordenen Hinsen ab.
    »Können Sie noch wenden, Sir?« stieß Hinsen heiser hervor. Arflane schüttelte nur den Kopf.
    Der Schoner fegte auf die Schlucht zu. Arflane machte keinen Versuch, den Kurs zu ändern. Es hatte keinen Sinn, nichts hatte noch einen Sinn.
    Hinsen weinte fast vor Angst. »Bitte, Sir … Wenden Sie! Versuchen Sie es wenigstens!«
    Der Abgrund näherte sich; das dunkelgrüne Eis glitzerte.
    Plötzlich ließ sich das Rad spielend leicht bewegen. Dann flog der Schoner wie ein Geschoß durch die Luft und setzte auf der anderen Seite der Schlucht, die niedriger war, krachend wieder auf. Es war alles so rasch gegangen, daß Arflane es nicht sofort begreifen konnte. Der Schoner schlingerte und drohte zu kentern. Arflane taumelte, konnte sich aber am Rad festhalten und es herumreißen. Die Fahrt

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