Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
Vom Netzwerk:
begleitet, zum Vorderdeck.

    Als das Plateau hinter ihnen lag, wurde das Eis zerklüfteter, aber das Schiff war leichter zu manövrieren, solange es die dazu erforderliche Geschwindigkeit beibehielt. Die Umrisse des Plateaus waren noch tagelang zu sehen, eine riesige Eisbarriere, die in die Wolken zu ragen schien. Die Luft war jetzt milder, und es gab auch weniger Schnee auf der Eisfläche. Die Wärme nahm zu und verwandelte sich in Hitze. Die Luft zitterte; manchmal schienen dabei merkwürdige Formen zu entstehen. Überall, wenn auch noch in weiten Abständen, waren Gletscher zu sehen. Arflane machte sich Sorgen. Wie leicht konnte der Schoner in einen Eisbruch hineingleiten … Diese Eisbrüche entstanden, wenn die Kruste durch einen Gletscherfluß unterhöhlt war. Ein Segler, der in einen Eisbruch schlidderte, hatte kaum Aussicht, wieder herauszukommen, denn für eine Wasserfahrt war er nicht konstruiert.
    Der Schoner hatte Kurs Nordwest zu Nord und näherte sich dem Äquator. Mannschaft und Offiziere wandten sich wieder reinen Routinetätigkeiten zu. Arflanes schlechte Stimmung war vergessen, sein Glück wurde respektiert, und er war bei der Mannschaft sehr populär geworden.
    Nur Petchnyoff wollte ihm offenbar nicht verzeihen. Er verbrachte seine Freizeit mit Janek Ulsenn; man konnte die beiden Männer häufig an Deck auf und ab gehen sehen. Ihre Freundschaft irritierte Arflane einigermaßen. Aber das war letzten Endes nicht seine Sache, und außerdem verrichtete der junge Offizier seine Arbeiten zur vollen Zufriedenheit.
    Urquart hatte noch immer die Gewohnheit, sich in Brückennähe aufzuhalten. Die Gestalt des hageren Harpuniers übte auf Arflane eine beruhigende Wirkung aus. Sie sprachen kaum miteinander, doch das unsichtbare Band einer Kameradschaft war sehr stark.
    Arflane konnte sogar Ulrica Ulsenn sehen, ohne daß seine Stimmung durch diese Begegnung beeinflußt wurde, und er hatte sich selbst an Manfred Rorsefnes sarkastische, versnobte Art gewöhnt.
    Was ihn jetzt belästigte, war nur die Hitze. Die Temperatur war einige Grad über Null angestiegen, völlig ungewohnt für die Mannschaft, die jetzt ohne Jacken arbeitete. Arflane war, entgegen seinem Willen, gezwungen gewesen, sich seiner schweren Pelzjacke zu entledigen. Doch Urquart weigerte sich, auch nur ein Kleidungsstück abzulegen und schwitzte lieber. Zwei Ausguckposten beobachteten ständig. Nachts wurde die Segelfläche bis auf ein Minimum verringert, und es wurden ein paar Greifanker geworfen, so daß der Schoner nur sehr langsam glitt. Außerdem war der Wind nur schwach, und der Schoner kam auch tagsüber nur langsam vorwärts. Von Zeit zu Zeit wurden Luftspiegelungen gesichtet, die gewöhnlich die Form umgekehrter Gletscher hatten. Arflane hatte Schwierigkeiten, sie den abergläubischen Leuten zu erklären, die sie als böses Omen auslegten.
    Eines Tages ließ der Wind vollständig nach, und es herrschte Flaute.

    13

    Diese Flaute mitten in der Hitze hielt eine Woche an. Der Himmel und das Eis schimmerten in der Sonne merkwürdig kupferfarben. Die Männer saßen herum und langweilten sich. Obwohl ihre Oberkörper frei waren, trugen sie noch immer ihre Schneeschirme. Von weitem sahen sie aus wie ein Schwarm großer Vögel, die sich auf dem Deck niedergelassen hatten. Die Offiziere beschäftigten die Leute nach Möglichkeit, aber es gab nicht viel zu tun. Gab Arflane ein Kommando, gehorchten die Leute nicht mehr so bereitwillig. Die Moral verschlechterte sich zusehends.
    Auch Arflanes schlechte Laune kehrte wieder zurück. Seine Bewegungen waren nervös, seine Stimme klang schroff und abgehackt.
    Als er einmal über das Unterdeck ging, kam Fydur, der Bootsmannsmaat, auf ihn zu, ein behaartes Individuum mit buschigen, schwarzen Augenbrauen.
    »Verzeihen Sie die Störung, Sir; aber wissen Sie, wie lange wir noch –?«
    »Fragen Sie die Mutter des Eises, nicht mich!« fauchte Arflane und war schon an ihm vorbei.
    Es waren nirgendwo Wolken zu sehen, nichts deutete auf einen Wetterumschwung hin. Arflane dachte wieder über Ulrica Ulsenn nach und stelzte mit auf dem Rücken verschränkten Händen auf den verschiedenen Decks herum. Sein Gesicht war so düster wie ein Gewittersturm.
    Als er eines Tages von der Brücke blickte, sah er Janek Ulsenn und Petchnyoff auf Fydur und eine Gruppe von Leuten einreden. Es schien sich um eine wichtige Unterhaltung zu handeln. Arflane blickte Urquart an, der, wie so oft, am Steuerhaus lehnte. Der Harpunier zuckte

Weitere Kostenlose Bücher