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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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an dem er an manchen Tagen überhaupt kein Wort sagte und von morgens bis abends reglos in seiner Koje lag. In solch einer Stimmung aß er nichts. Ulrica lag neben ihm, den Kopf auf seiner Schulter, und lauschte dem leisen Rumoren der Kufen und dem Knarren der Takelung. Wenn der Nebel die Geräusche dämpfte, schien die Kabine vom Schiff abgetrennt zu sein. Dann ging Arflane auf die von Nebelschwaden umwallte Brücke und ließ sich von Hinsen, Urquart oder Manfred Rorsefne die zurückgelegte Strecke nennen. Er hatte sich in eine unheilvolle Gestalt verwandelt, und selbst die Offiziere, Urquart ausgenommen, schienen in seiner Gegenwart unsicher zu werden. Sie stellten fest, daß Arflane zusehends alterte; sein Gesicht war zerfurcht, seine Schultern hingen herab. Selten blickte er jemanden direkt an. Er starrte in den Nebel oder in den Schnee. Ebensooft, und ohne sich dessen bewußt zu sein, stieß er lange Seufzer aus, machte irgendeine nervöse Bewegung, trommelte auf das Geländer oder wischte den Reif von seinem Bart. Während Hinsen und Rorsefne sich um ihn Sorgen machten, schien Urquart von seiner Veränderung keinerlei Notiz zu nehmen. Arflane für seine Person schien sich weder um Hinsen noch um Rorsefne zu kümmern, doch Urquart wich er aus, wo er nur konnte. Stand er auf der Brücke und sah Urquart näher kommen, ging er rasch die Treppe hinunter und war verschwunden, ehe der Zweite Offizier ihn erreicht hatte. Urquart schien von diesem »Rückzug« keine Notiz zu nehmen, doch einmal lächelte er, als Arflane ihm die Tür seiner Kabine vor der Nase zuschlug.
    Hinsen und Rorsefne unterhielten sich oft miteinander. Rorsefne war der einzige Mensch an Bord, dem Hinsen seine Sorgen anvertrauen konnte. Dabei war die Atmosphäre an Bord nicht direkt gespannt, es war nur deprimierend, daß der Schoner so langsam vorwärts kam.
    Hinsen sagte: »Manchmal kommt es mir vor, als würden wir endgültig anhalten und den Rest unseres Lebens in diesem verdammten Nebel verbringen. Alles ist so verschwommen …« Rorsefne nickte zwar, schien sonst aber sorglos zu sein.
    »Kopf hoch, Hinsen. Wird schon alles gut. Erinnern Sie sich an die Worte von Urquart: Es ist unsere Bestimmung, New York zu erreichen.«
    »Ich wollte, der Kapitän würde das den Leuten erzählen«, sagte Hinsen düster. »Ich wollte, er würde ihnen etwas, irgend etwas erzählen.«
    Rorsefne nickte. Sein Gesicht sah plötzlich nachdenklich aus.

    19

    Am Morgen nach Hinsens und Rorsefnes Unterhaltung wurde Arflane durch ein Klopfzeichen an der Außentür seiner Kabine geweckt. Er schwang die Beine aus der Koje, in der Ulrica noch schlief, kleidete sich notdürftig an und öffnete die Tür. Manfred Rorsefne stand vor ihm. Der Nebel hinter ihm kroch in die Kabine. Der junge Mann hatte die Arme über der Brust verschränkt und den Kopf ein wenig zur Seite geneigt. »Kann ich mich mit Ihnen unterhalten, Kapitän?«
    »Später«, grunzte Arflane und warf einen Blick auf die Koje. »Es ist wichtig«, sagte Manfred nähertretend.
    Arflane zuckte die Achseln, trat zur Seite und ließ Manfred
vorbei.
Ulrica öffnete die Augen. »Manfred?«
    »Guten Morgen, Cousine«, entgegnete Rorsefne. In seiner Stimme schwang ein Humor mit, den weder Arflane noch Ulrica deuten konnten. Sie blickten ihn forschend an. »Ich habe mich heute morgen mit Hinsen unterhalten«, sagte Rorsefne, zu Arflanes Truhe gehend. »Er scheint zu glauben, daß das Wetter bald besser werden wird.« Er nahm auf der Truhe Platz. »Wenn das stimmt, werden wir bald wieder schnellere Fahrt machen.« »Wie kommt er darauf?« fragte Arflane.
    »Die Nebelschwaden verfliegen, wie es aussieht. Seit einigen Tagen schneit es auch nicht mehr so stark. Die Luft ist trockener. Ich denke, Hinsen hat die nötigen Erfahrungen und weiß, was er sagt.«
    Arflane nickte und fragte sich, was der wahre Grund von Rorsefnes Auftauchen sein mochte. Ulrica hatte sich herumgedreht. Sie vergrub ihr Gesicht in den Kissen. »Was macht Ihre Schulter?« fragte Rorsefne. »Alles in Ordnung.«
    »Aber Ihre Laune scheint trotzdem nicht die beste zu sein,
    Kapitän.«
    »Alles in Ordnung«, sagte Arflane noch einmal und nachdrücklicher. Er ging zu dem Wasserfaß neben dem Waschständer, füllte die Waschschüssel und begann sein zerfurchtes Gesicht zu waschen.
    »Die Moral an Bord ist schlecht«, fuhr Rorsefne fort. »Sieht so aus.«
    »Urquart hält die Leute in Bewegung, aber sie brauchen einen erfahrenen Mann«, sagte

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