Untitled
Morant alias Leslie Pollard alias Dave Jones hob die Hand, ohne jedoch sofort zu sprechen. Erst blickte er sich noch einmal um, beobachtete die Aktivitäten auf dem Rol l feld. Das geschah ganz automatisch, aus Gewohnheit.
Genau wie bei Max. Jules war klar, dass die beiden sich beim Betreten des Flughafengebäudes exakt denselben Platz aussuchen würden. Mit dem Rücken zur Wand, sodass sie das Kommen und Gehen genau beobachten konnten.
Er und Morant waren einander sehr ähnlich.
Nur, dass Max sich nicht für eine Verbrecherlaufbahn en t schieden hatte.
Schließlich räusperte sich Morant und eröffnete die Ve r anstaltung mit einem vollkommen unerwarteten Geständnis.
»Hört zu, ich weiß, es ist voll und ganz meine Schuld, dass Molly und Gina entführt worden sind.« Er holte tief Luft. »Aber …«
Okay, jetzt ging’s los. Jetzt kam der Teil, wo er in Wir k lichkeit überhaupt nicht schuld war.
»Ich schwöre«, fuhr er fort, »dass ich sie nicht in die Werkstatt der Kraus’ geschickt habe. Ich habe Molly nicht einmal die Adresse verraten. Keine Ahnung, wie sie übe r haupt dahintergekommen ist, und … ich kann mir überhaupt nur einen einzigen Grund denken, wieso sie da hingegangen sind. Molly hat wahrscheinlich gemerkt, dass sie verfolgt wird. Vielleicht wollte sie mich ja warnen.« Er schüttelte niedergeschlagen den Kopf. »Gottverdammt noch mal. Ich hätte dieser Kraus einfach nicht trauen dürfen.«
Es war ziemlich offensichtlich, dass der Kidnapper ihm dadurch auf die Spur gekommen war – und Molly und Gina auch. Sie hatten ja die DVD gesehen. Molly und Gina hatten die Werkstatt betreten, Herr Kraus hatte telefoniert und fünf Minuten später war der Mann, der sich als E. ausgab, au f getaucht.
Zufall? Unwahrscheinlich.
Morant war noch nicht fertig. »Ich … ich musste es einfach riskieren. Ich hatte meine Gründe für die Eile.«
Gründe. Für. Die. Eile. Max widerstand der Versuchung, dem Schweinehund an die Gurgel zu gehen. Gründe wie zum Beispiel die Chance, bei einem fast völlig legalen Geschäft eine Million Dollar zu verdienen – oh, abgesehen von den dazugehörigen Kapitalverbrechen? Aber vielleicht wollte Morant sie ja zu Tränen rühren, aus sentimentalen Gründen. Zum Beispiel, weil seine liebe alte Mutter krank war. Oder weil seine Cousine eine Nierentransplantation benötigte.
Max konnte es kaum erwarten.
Doch nun schaltete Jules sich ein und lenkte die Diskussion in eine andere Richtung. »Wenn Sie nicht vorgehabt haben, Molly zu Frau Kraus in die Wertstatt zu schicken, wie wollten Sie dann eigentlich an den Reisepass kommen?«
»Eigentlich war ein Treffen in einer Bar vereinbart«, e r läuterte Morant. »In Hamburg. Ich allein«, fügte er hinzu. »Ich wollte mich mit einem der Kraus-Söhne treffen. Und bar bezahlen. Glauben Sie mir, ich habe wirklich niemals vo r gehabt, Molly auch nur ansatzweise in diese Sache hineinz u ziehen.«
»Bei Gina war das natürlich etwas anderes, stimmt’s?«, schaltete sich Max ein. Er war so wütend, dass am Rand seines Sichtfeldes permanent kleine helle Lichtpunkte au f zuckten. »Sie war dir einfach scheißegal, also war es auch ein Kinderspiel, sich ihre Kreditkarte zu schnappen und damit die Anzahlung zu machen.«
Denn das war garantiert der Sinn dieser bar abgehobenen zehntausend Dollar in Nairobi gewesen.
»Oder vielleicht hast du ihr die Karte auch gestohlen«, fügte Max hinzu. »Ohne dass sie etwas davon gewusst hat.«
Es konnte nur noch wenige Sekunden dauern, bis Morant sich auf Max stürzte. »Leck mich am Arsch.«
»Leck du mich am Arsch!« Max hoffte, er würde es ve r suchen.
Jules trat zwischen die beiden. »Das bringt uns nicht weiter.“
»Ich habe Ginas Kreditkarte nicht gestohlen«, sagte Morant hitzig. »Sie hat genau gewusst, was sie tut – sie hat darauf bestanden. Und ich habe mir ihre Karte auch nicht g e schnappt. Sie hat das Bargeld bei einer Bank abgehoben, und ich habe es von einer anderen Bank aus telegrafisch an Kraus überwiesen.«
»Waren das beides Banken in Nairobi?«
»Nein«, erwiderte Morant. »Wir sind erst nach Paris g e flogen … natürlich waren beides Banken in Nairobi. Hör zu, ich weiß, dass du wütend bist …«
Doch Max hatte das Stadium der Wut schon längst hinter sich gelassen. Jeder unterdurchschnittlich begabte Compute r hacker hätte dieses Geld bis zu Ginas Kreditkarte zurückve r folgen können. Das war nur eine der vielen, vielen Möglic h keiten, wie E-der-Entführer
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