Untitled
dass er medizinische Kenntnisse hat. Er konnte nicht riskieren, dass irgendjemand auf die Idee kam, eine Verbindung zwischen Leslie Pollard und Dave Jones oder Grady Morant zu ziehen.«
Gina wandte sich direkt an ihn. »Und, bist du ein richtiger Arzt oder …?« Aus ihrer Miene sprachen Achselzucken, a n gewiderte Neugier und unverfälschtes New-Yorker-tum. Tö d liche Angst und der gleichzeitige Versuch, sie hinter Wut und Ärger zu verbergen. New Yorker lernen von Kindesbeinen an, niemals Angst zu zeigen.
»Ich war Sanitäter beim Militär.« Unter anderem. »Ausgebildet, um verwundete Soldaten zu versorgen – Schusswunden sind also genau mein Revier.«
»Aber sind Sanitäter nicht nur zur Erstversorgung da, so lange, bis die Leute in ein richtiges Krankenhaus gebracht werden?« Jetzt wurde Ginas Besorgnis deutlich.
»Er hat zwei Jahre lang für Chai ein Krankenhaus g e leitet.« Molly legte der jüngeren Frau den Arm um die Schultern. »Was sich durchaus mit der Arbeit in einer No t aufnahme in Städten wie New York oder Chicago vergleichen lässt. Er hat vielen Menschen das Leben gerettet.« Sie ve r gewisserte sich, dass auch Max genau zuhörte. »Und bevor ihr sagt: ›Ja, ja, Drogenkurieren, Mördern und Dieben‹, solltet ihr außerdem wissen, dass seine Patienten ganz normale Leute waren, die für Chai gearbeitet haben, weil er der einzige ve r lässliche Arbeitgeber in der Region war. Oder weil sie g e wusst haben, dass sie in irgendeinem Massengrab enden würden, wenn sie sein Jobangebot ablehnen. Wenn es, bevor Grady dort war, bei einer Schlacht mit einer rivalisierenden Bande Verletzte gegeben hat, dann hat man sie einfach zum Sterben liegen lassen.«
Jones hob den Kopf und sah, dass Max ihm beim Sterilisieren eines besonders scharfen Messers zuschaute. »Ich und Jesus«, sagte er. »Wir sind einander so ähnlich, wir werden oft verwechselt.«
»Mach dich ruhig lustig über mich – ich sag’s ja nur.« Molly hatte ihre Miene der verletzten Gefühle aufgesetzt. Vielleicht ließ Max sich davon täuschen, aber Jones wusste, dass es nur zur Tarnung der Miene der unnachgiebigen Kämpferin diente. Sie setzte alle Hebel in Bewegung, damit Max sich für Jones einsetzte, falls sie hier lebend herau s kommen sollten. Und sie war noch nicht fertig. »Ja, Grady Morant hat etliche Jahre lang für Chai gearbeitet – nachdem die USA ihn in irgendeiner Folterkammer sterben lassen wollten. Er steckt so voller Bösartigkeit, aber was hat er denn getan während dieser zwei Jahre? Ach 5000, er hat anderen Menschen das Leben gerettet …?«
»Ich habe ohne Zulassung ärztliche Handlungen durc h geführt«, meinte Jones. »Gerade hast du Max noch einen A n klagepunkt für die Zeit geliefert, wenn wir wieder zu Hause sind.«
Wenn, nicht falls. Das war Absicht gewesen, auch wenn er sich nicht sicher war, ob falls nicht vielleicht doch treffender gewesen wäre. Mollys Blick war voller Dankbarkeit.
Er schickte ihr eine volle Breitseite seines besten »Ja, Schätzchen, später, wenn wir zu zweit sind, kannst du dich bedanken«-Blickes, und sie lachte, ganz wie er gehofft hatte.
Max hatte mittlerweile eine Flasche Rum entdeckt, einen Bacardi 151 mit über 75 Prozent. Ji-ppieieie.
»Bringen wir’s hinter uns«, meinte er und drehte sich dann zu Gina um.
»Ich gehe hier nicht weg«, sagte Gina, noch bevor er sie genau darum bitten konnte. »Nur für den Fall, dass du gleich noch laut hurra schreien willst.«
Offensichtlich bezog sich Gina dabei auf den Streit von vorhin, sodass Max die Augen zumachte und einen Seufzer ausstieß. »Es tut mir leid, dass ich vorhin die Beherrschung verloren habe.«
»Mir nicht«, sagte sie. »Mir tut es leid, dass ich dich ve r lassen habe. Ich habe gedacht …« Sie lachte verächtlich und schüttelte den Kopf. »Ich war im Unrecht. Ich hätte bleiben sollen. Ich hätte nicht zulassen sollen, dass du mich aus bloßer Angst einfach davonjagst.«
»Heil sei dir, Gina«, sagte Jones, »Königin des richtigen Zeitpunktes.«
»Was denn?«, erwiderte sie. »Soll ich damit etwa noch warten? Wie lange denn? Bis wir ein bisschen Zeit ganz für uns alleine haben – oh, pardon, abgesehen von den Bataillonen von Soldaten da draußen, die mit High-Tech-Abhörmikrofonen herumlaufen?«
»Vielleicht auch nicht«, meinte Jones. »In diesem Teil der Welt ist es mit High-Tech nicht so wahnsinnig weit her …«
Gina war es egal. »Denn das hast du doch gemacht, oder etwa nicht?«, wandte sie sich
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