Untitled
meine, er war ja eigentlich eine Art Sprungbrett für anspruchsvollere Musikrichtungen, aber für mich hat eigentlich alles mit Elvis angefangen.«
Wieder zurück zur Musik. Aber okay.
»Hast du als Kind mal ein Musikinstrument gespielt?«, wollte sie wissen.
Er blickte sie an, kam anscheinend zu dem Schluss, dass das Thema noch sicheren Boden garantierte, und sagte: »In der Mittelstufe, da wollte ich eine Zeit lang unbedingt Gitarre lernen. Mittlerweile hatte ich Hendrix entdeckt, weißt du?«
Sie nickte.
»Also bin ich zu meiner Musiklehrerin gegangen, und … sie hat mir eine Geige gegeben, die sie noch auf Lager hatte … für Kinder, die es erst mal ausprobieren wollen, bevor sie sich für ein ganzes Jahr lang eine mieten.«
»Eine Geige?«
»Ja, genau«, meinte Max. »Wenn man sich an unserer Schule für ein Saiteninstrument interessiert hat, musste man anscheinend mit Geige anfangen. Ich weiß noch, wie sie g e sagt hat, dass ich mir das Recht, Gitarre zu spielen, erst ve r dienen muss.«
»Oh Mann«, sagte Gina. »Deine Mittelschullehrerin hätte meine Mittelschullehrerin in den Herzinfarkt getrieben. Ich meine, die beiden hätten sich im Lehrerzimmer eine Messe r stecherei geliefert. Bist du denn überhaupt jemals wieder in den Musikraum gegangen?«
»Fast gar nicht mehr«, gestand er. »Ich habe … na ja, ich dachte, so schwer kann es doch nicht sein.« Er ließ ein a n gewidertes Schnauben hören. »So eine Katastrophe. Eigentlich war ich in jedem Fach ziemlich gut, bloß …«
»Nicht auf der Geige«, sagte sie. »Das ist doch eines der schwierigsten Instrumente überhaupt. Also so was von b e scheuert.«
»Ja«, pflichtete Max ihr bei. »Ich habe Sachen wie Crosstown Traffic oder All Along the Watchtower gehört, und die Lehrerin wollte mich Alle meine Entchen spielen lassen. Und das auf diesem Schrottding, das ich sowieso nie richtig stimmen konnte. Dazu kam noch, dass die Lärmtoleranz bei uns zu Hause mittlerweile bei minus fünf angekommen war. Ich meine, ich konnte mir über Kopfhörer Hendrix anhören. Aber üben war …« Er zuckte mit den Schultern. »Nach einer Woche hab ich’s dann gelassen.«
»War das, als deine Schwester …«
»Ja, genau«, sagte er. »Was war denn dein liebster Elvis- Film?«
Okay. Mit der Geigengeschichte hatte Gina mehr b e kommen, als sie erwartet hatte, und so machte sie einen Rückzieher. »Der, in dem er diesen Priester spielt«, sagte sie. »Ich meine, ich habe ihn doch für einen Heiligen gehalten, oder?«
»Und wie alt warst du, als du rausgekriegt hast, dass er doch keiner war?«, wollte Max wissen.
»Dritte Klasse. Das war schlimm. Da war so ein dämlicher Fünftklässler, Patrick O’Brien, der ständig über Elvis he r gezogen ist, wie blöd er sei und dass er an einer Überdosis gestorben sei. Also habe ich ihm eine blutige Lippe und ein blaues Auge verpasst – ich hab ihn auf dem Schulhof richtig zusammengeschlagen. Das hat mir wahnsinnigen Ärger ei n gebracht. Die Direktorin hat mich sofort in die Bibliothek geschickt, noch mit total verdreckten Kleidern. Das war wahnsinnig erniedrigend. Aber sie hat gesagt, ich soll mich mit den Einzelheiten von Elvis’ Tod beschäftigen.« Sie seufzte. »Das war kein schöner Tag. Ich weiß noch, dass meine Mutter bei der Arbeit war und mein Onkel Frank, der bei uns im Keller gewohnt hat, weil er keinen Job hatte, mich von der Schule abholen wollte. Eine Schlägerei war eine ernste Sache. Ich hatte zwei Tage Schulverbot und durfte erst wieder kommen, als ich mich bei Patrick und seinen Eltern entschuldigt hatte. Obwohl ich wusste, dass dadurch alles noch schlimmer werden würde, stimmt’s? Ich meine, stell dir doch mal vor, du wärst Patrick und dann kommt so eine Drit t klässlerin zu dir nach Hause und …«
Max lächelte. »Armes Schwein.«
»Ja, ja, du findest das lustig, aber ich war total niede r geschlagen. Am Boden zerstört. Ich hatte all meine Gebete an einen aufgeblasenen Anti-Heiligen gerichtet. Der Held meiner Träume ein Drogensüchtiger? Du weißt, dass es in meiner Familie viele Polizisten und Feuerwehrleute gibt. Drogen standen bei uns auf einer Stufe mit Mord und Brandstiftung.« Sie schmiegte sich mit dem Rücken an seinen Bauch und zog seinen Arm heran, sodass er sie noch fester umschlungen hielt. »Kaum zu glauben, dass ich dir diese Geschichte noch nie erzählt habe. Habe ich doch nicht, oder?«
»Nein.« Er strich ihr die Haare aus dem Gesicht.
»Onkel Frank hat sich zu
Weitere Kostenlose Bücher