Untitled
Teil seiner Persönlichkeit, der seit zwei Jahrzehnten FBI-Agent war, schaltete auf Autopilot und holte in Winde s eile allerhand wichtige Informationen ein.
Hände – hoch gereckt und leer und bewusst so positioniert, dass Max sie sehen konnte.
Beule unter Jackett, unterhalb des linken Arms – mö g licherweise große Brieftasche, wahrscheinlich Feuerwaffe.
»Hallo, Max« – Morant hatte damit gerechnet, dass er ihm die Tür aufmachen würde, hatte gewusst, dass er hier war.
Größer, breiter – er brachte mindestens fünfundzwanzig Pfund mehr auf die Waage als Max.
Sonderkommando – seine Ausbildung hatte ihn zu einem sehr ernst zu nehmenden Nahkampfgegner gemacht.
Irgendwann während der Neunzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts. Morants Zeit als Soldat lag viele Jahre zurück. Viele Jahre, in denen man Spannkraft verlieren, außer Form geraten, weich werden konnte.
Das Riesenarschloch machte keinen weichen Eindruck.
Die sanfte Stimme seines Arztes – »Sieht gut aus, Max. Schlüsselbein ist prima verheilt. Aber … gehen Sie’s noch eine Zeit lang ruhig an.«
Der Teil von Max’ Persönlichkeit, der ein gottverdammter, wutschnaubender Irrer war, wartete gar nicht erst ab, bis all diese rasend schnell erfassten Informationen verarbeitet waren und er zu dem Schluss kam, dass es das Schlaueste wäre, seine eigene Waffe aus der Innentasche seines Jacketts zu ziehen, Morant damit in Schach zu halten und ihn nach Ginas Verbleib zu fragen.
Der Teil seiner Persönlichkeit, der ein gottverdammter, wutschnaubender Irrer war, wurde von dem Chaos, von der Wut und Angst und Enttäuschung einfach aufgesaugt.
Die Erinnerung an Ginas Namen, die ihm das Herz stocken ließ – in schroffen schwarz-weißen Buchstaben auf einer offiziellen Liste mit Todesopfern.
Dieser tote Körper unter einem Leichentuch – mit einem Gesicht, das nicht ihr gehörte.
Der bodenlose Schock, ein Fall ins Leere in einem Strudel aus Trauer und Wut, der nun aufgehalten wurde durch die Hoffnung, deren winzige Krallen bereits begonnen hatten, sich in ihm festzusetzen.
Max musste Morant gepackt und ihn ins Zimmer gezerrt haben. Die Tür musste hinter ihnen ins Schloss gefallen sein, aber Max hatte nichts gehört.
Er wusste nur, dass Morant über den Sessel stürzte und krachend an der Wand neben dem Fenster landete.
Max stand direkt hinter ihm, mit einer Pistole in der Hand – eine ihm unbekannte Astra, die er Morant irgendwie a b genommen haben musste. Er warf sie quer durch das Zimmer und wuchtete den Sessel beiseite.
Morant rappelte sich auf und sagte etwas, was Max nicht verstehen konnte, weil in seinem Kopf ein Gewittersturm tobte.
»Wo ist Gina?«, brüllte Max über das Tosen des Sturmes hinweg. »Du sagst mir jetzt verflucht noch mal auf der Stelle, wo Gina ist, oder ich bringe dich verflucht noch mal um. Ich reiß dich in Stücke, auf der Stelle, du dreckiges Stück Scheiße!«
Morant versuchte, um den Frühstückstisch herum zu en t kommen, aber Max griff nach ihm, stellte ihm ein Bein, und sie gingen gemeinsam zu Boden. Dabei rissen sie eine Ste h lampe um, die mit einem Knall zerbarst.
Heftig schlug er mit dem Kopf an den Bettrahmen, aber die tanzenden Lichter, die ihn vorübergehend erblinden ließen, konnten ihn nicht einmal ansatzweise aufhalten. Er stürzte sich auf Morants Kehle, ob er sie nun sehen konnte oder nicht, zerrte an seinem Gürtel, seinem Hemd, seinen Haaren.
»Ich habe gesagt, ich weiß nicht, wo sie … Aah, Gott!«
Die Faust, die in Max’ Gesicht landete, brachte dem Arsc h loch gar nichts – nicht wuchtig genug. Doch dann schmeckte er Blut. Vielleicht spürte er einfach gar keinen Schmerz mehr, während Morant erneut versuchte, sich zu befreien.
Ein Ellbogen erwischte Max an der Seite und raubte ihm mit scharfem Stich den Atem, aber er ließ immer noch nicht locker.
Morant dachte wohl, er hätte sich ein, zwei Sekunden Spielraum geschaffen – falsch gedacht. Auf Händen und Füßen versuchte er wegzukrabbeln und brachte sich dadurch genau in die Position, in der Max ihn haben wollte – in einen Würgegriff: Max’ Arm um seinen Hals, während Max’ Knie sich in seine Wirbelsäule bohrte.
»Bist du übergeschnappt?«, spie Morant hervor, bevor Max noch fester zudrückte und ihm so die Luft raubte, die er zum Sprechen brauchte.
Die Luft, die er zum Atmen brauchte.
Aber natürlich war Morant viel zu gut ausgebildet, um ei n fach nur dazuliegen und zu sterben. Er rollte sich herum, auf
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