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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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geliebt hatte – auf die Locken und begab sich gemessenen Schrittes auf den Weg zur Kapelle.
      Es war ein strahlend schöner Tag, so daß die restlichen Ängste im Nu verflogen. Würdevoll betrat Madame die Kirche und strebte ihrem Stammplatz in der ersten Reihe zu, als auch schon der Priester mit seinen Meßdienern aus der Sakristei erschien. Eine große innere Ruhe erfaßte die kleine Dame ...
      Plötzlich schreckte sie hoch.
      „O nein! Um des gütigen Himmels willen, das darf doch wohl nicht wahr sein! So etwas ist mir ja noch nie passiert!" Sie riß ihre Augen weit auf, als ihr bewußt wurde, daß sie doch tatsäch lich eingenickt war! Und das während eines Gottesdienstes! Wie entsetzlich peinlich! Was werden die Leute denken! Verstohlen schaute sie mit krampfhaft gesenktem Blick zuerst nach rechts, dann nach links ... Niemand war zu sehen. Vorsichtig hob sie den Kopf und blickte geradewegs in das lachende Gesicht des Geistlichen, der, bereits wieder in seine Soutane gehüllt, den gewohnt alltäglichen Anblick bot.
      „Der Kirchenschlaf ist der gesündeste", spottete er lächelnd und fuhr dann fort: „War wohl alles ein wenig zu aufregend und anstrengend für Sie."
      Er schaute sehr besorgt auf Madame, konnte es sich aber nicht verkneifen zu bemerken: „Obwohl es für meine Person wenig schmeichelhaft erscheint, wenn meine bestens vorbereitete Predigt verschlafen wird. Aber ich bin nur ein ganz klein wenig gekränkt, und wir sollten wie besprochen der Heiligen Jungfrau eine Kerze anzünden und sie um weiteren Schutz bitten."
      Unter vielfachen Entschuldigungen begleitete Madame den Priester zum Marienaltar. Dort kaufte sie gleich zwei Kerzen.
      „Man kann ja nie wissen, Hochwürden, denn ich bin der Überzeugung, daß wir diese ganze Angelegenheit noch lange nicht überstanden haben." Ein erwartungsvolles Glitzern war in ihren gütigen Augen zu erkennen. „Am meisten würde mich interessieren, wie es unserem guten Doktor gelungen ist, die Bekanntschaft dieses bemerkenswerten Vampirs zu machen."
      Vor dem Haus von Madame angelangt, stellte Hochwürden wie schon so oft mit Zufriedenheit fest, daß der Kosename „Vanille" vollkommen gerechtfertigt war. Ein angenehmer Duft hüllte ihn wohlig ein. Dazu das zarte Gelb der frisch gestrichenen Hauswand – hier fühlte man sich geborgen.
      Umständlich kramte die kleine Dame in ihrem Pompadour nach dem Hausschlüssel.
      „Bitte Hochwürden, leisten Sie mir noch ein wenig Gesellschaft. Ich finde, es ist an der Zeit, einen strategischen Schlachtplan zu entwickeln, wie wir am geschicktesten diese brisante Angelegenheit weiterhin anzugehen haben."
      „Meine Unterstützung ist Ihnen gewiß, Verehrteste. Zuerst einmal werde ich unter irgendeinem Vorwand den Doktor aufsuchen müssen. Welchen Kniff ich benutzen werde, ist mir im Moment noch unklar. Ich will ihn keinesfalls verprellen, sondern ich muß sein Vertrauen gewinnen."
      Madame wurde ganz aufgeregt. „Am besten wäre es, Hochwürden, Sie verstauchen sich ganz einfach Ihren Knöchel und schimpfen dann fürchterlich über die morschen Grabplatten. Das wäre ein idealer Anknüpfungspunkt, nicht wahr?" Erwartungsvoll schaute sie zu dem Priester auf.
      „Äußerst charmant, meine Liebe. So gewaltig wollte ich mich allerdings nicht gleich strapazieren. Schließlich ist ein verstauchter Knöchel eine unangenehm schmerzhafte Angelegenheit."
      Der Priester begann, wehleidig zu klagen, rief damit aber nur äußerste Mißbilligung bei Madame hervor: „Herr Pfarrer, all das dient der Aufklärung einer mysteriösen Angelegenheit, die vielleicht für uns alle von lebensnotwendiger Bedeutung ist!"
      Madame hatte sich drohend vor dem Geistlichen aufgebaut und fuhr energisch fort: „Ich werde Ihnen selbstverständlich bei dieser Art von, na ja, nennen wir es Selbstverstümmelung, hilfreich zur Seite stehen. Was pflegte mein Gottseliger immer zu sagen ..." Ihr tränenverhangener Blick glitt hinüber zum Bild ihres verstorbenen Gatten. Wenige Augenblicke lang stand sie gedankenverloren da. „Ach ja …" sagte sie seufzend und lächelte. „Also, er pflegte zu sagen: Man sollte einmal Begonnenes niemals an einer körperlichen Pein scheitern lassen. Nur so erlangt man die volle Erfüllung im Leben und Friede für das Vaterland!"
      Hochwürden war verwirrt. Wegen der hingebungsvollen Worte seiner Nachbarin oder ob der Vorstellung der ihn in Kürze ereilenden Schmerzen, das sei

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