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Untitled

Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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untersucht haben«, sagte er.
    Über Schlaflosigkeit stand nichts in den Haftberichten. Ich fragte mich, ob er es tatsächlich einem Arzt gesagt oder sich das nur eingebildet hatte. Es gab Aufzeichnungen über einen unausgeglichenen Wechsler-Test, der auf Impulsivität hindeutete. Über einen verbalen Intelligenztest und einen LeistungsI.Q. beide weit über dem Durchschnitt. Über einen RorschachTest, der schweren emotionalen Streß zeigte. Er hatte positiv auf die sogenannte Selbstmordkarte reagiert. Aber kein Wort über Schlaflosigkeit.
    »Bitte, erzählen Sie mir davon. Es könnte mir dabei helfen, Sie zu verstehen.« Wir hatten schon über die Tatsache gesprochen, daß ich nicht nur ein kompetenter Kriminalist, sondern auch Psychologe war. Er war mit meinen Referenzen zufrieden. Jedenfalls bis jetzt. Hatte das etwas damit zu tun, daß er in Florida mich verlangt hatte?
    Er schaute mir in die Augen. »Wollen Sie mir wirklich helfen? Mich nicht hereinlegen, sondern mir helfen?«
    Ich sagte ihm, ich wolle es versuchen. Ich wolle mir anhören, was er zu sagen hatte. Ich wolle aufgeschlossen sein. Er sagte, mehr könne er nicht verlangen.
    »Ich kann schon lange nicht mehr schlafen. Das ist so, solange ich mich erinnern kann«, fuhr er fort. »Es wurde ein richtiges Durcheinander. Wach sein, träumen. Es fiel mir schwer, beides auseinanderzuhalten. Ich bin in diesem Polizeiauto in Pennsylvania aufgewacht. Ich habe keine Ahnung, wie ich dorthin gekommen bin. So war es wirklich. Glauben Sie mir? Jemand muß mir glauben.«
    »Ich höre Ihnen zu, Gary. Wenn Sie fertig sind, sage ich Ihnen, was ich glaube. Ich verspreche es Ihnen. Im Augenblick muß ich alles hören, woran Sie sich erinnern.«
    Das schien ihn zufriedenzustellen.
    »Sie haben gefragt, ob mir das schon mal passiert ist. Es ist mir passiert. Ein paarmal. Manchmal in meinem Auto, irgendwo am Straßenrand. Manchmal an einer Straße, die ich noch nie gesehen, von der ich noch nicht mal was gehört hatte. Zweimal ist es mir in Motels passiert. Oder ich bin auf der Straße herumgeirrt. In Philadelphia, in New York, einmal in Atlantic City. Ich hatte Kasinochips und einen Parkschein in der Tasche. Keine Ahnung, wie die dorthin gekommen sind.«
    »Ist es Ihnen schon mal in Washington passiert?« fragte ich.
    »Nein. In Washington nicht. Da war ich gar nicht mehr, seit ich ein Kind war. In letzter Zeit habe ich festgestellt, daß ich zu mir kommen und völlig bei Bewußtsein sein kann. Vollkommen bei Bewußtsein. Zum Beispiel sitze ich beim Essen. Aber ich habe keine Ahnung, wie ich in das Restaurant gekommen bin.«
    »Haben Sie mit jemandem darüber gesprochen? Haben Sie versucht, Hilfe zu bekommen? Von einem Arzt?«
    Er schloß die kastanienbraunen Augen – sein auffälligster Zug. Ein Lächeln ging über sein Gesicht, als er die Augen wieder aufmachte.
    »Wir haben kein Geld für einen Psychiater. Wir kommen gerade so über die Runden. Deshalb war ich so deprimiert. Wir sind mit dreißig Riesen in den Miesen. Meine Familie hat dreißigtausend Dollar Schulden, und ich sitze im Gefängnis.«
    Er verstummte und schaute mich wieder an. Es war ihm nicht peinlich, mich anzustarren, in meinem Gesicht zu lesen. Ich stellte fest, daß er kooperativ, stabil und im großen und ganzen klar bei Verstand war.
    Ich wußte außerdem, daß jeder, der mit ihm arbeitete, das Opfer einer Manipulation durch einen äußerst intelligenten und begabten Soziopathen werden konnte. Er hatte vor mir eine Menge Leute getäuscht; offenbar konnte er das gut.
    »Bis jetzt glaube ich Ihnen«, sagte ich schließlich zu ihm. »Was Sie sagen, ergibt für mich einen Sinn, Gary. Ich würde Ihnen gern helfen, falls ich kann.«
    Plötzlich traten ihm Tränen in die Augen und rollten ihm über die Wangen. Er streckte die Hände nach mir aus.
    Ich nahm Gary Soneji/Murphys Hände in meine. Sie waren eiskalt. Er schien Angst zu haben.
    »Ich bin unschuldig«, sagte er zu mir. »Ich weiß, daß es verrückt klingt, aber ich bin unschuldig.«
    An jenem Abend kam ich spät nach Hause. Ein Motorrad schob sich neben das Auto, als ich in meine Einfahrt einbiegen wollte. Was zum Teufel sollte das?
    »Bitte, folgen Sie mir, Sir«, sagte die Person auf dem Motorrad. Der Satz klang perfekt nach der Autobahnstreife. »Setzen Sie sich einfach hinter mich.«
    Es war Jezzie. Sie lachte, und ich lachte mit. Ich wußte, daß sie mich in das Land der Lebenden zurücklocken wollte. Sie sagte mir, ich arbeitete zu hart an

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