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Untitled

Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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wenigen Leute, die schon auf waren, zur Arbeit gingen oder fuhren, starrten uns an. Vermutlich hätte ich uns auch angestarrt. Was waren wir doch für ein verflucht schönes Paar.
    Jezzie setzte mich ab, wo sie mich mitgenommen hatte. Ich lehnte mich eng an sie und das warme, vibrierende Motorrad. Ich küßte sie noch einmal. Ihre Wangen, ihre Kehle, schließlich ihre Lippen. Ich glaubte, ich könne den ganzen Morgen lang hierbleiben. Einfach so, auf den schäbigen Straßen im Südosten. Mir ging der Gedanke durch den Kopf, es solle immer so sein. Warum nicht?
    »Ich muß ins Haus«, sagte ich schließlich.
    »Ja. Weiß ich. Geh' nach Hause, Alex«, sagte Jezzie. »Gib' deinen Kleinen einen Kuß von mir.« Sie sah jedoch ein bißchen traurig aus, als ich mich abwandte und zum Haus ging.
    Fang nichts an, was du nicht zu Ende bringen kannst, fiel mir wieder ein.

    48. Kapitel
     
    Für den Rest jenes Tages ließ ich es etwas langsamer angehen. Es kam mir ein bißchen verantwortungslos vor, aber es tat mir gut. Es ist in Ordnung, sich manchmal das Gewicht der Welt aufzuladen, wenn man weiß, wie man es wieder loswerden kann.
    Als ich zum Gefängnis Lorton fuhr, war die Temperatur unter dem Gefrierpunkt, aber die Sonne schien. Der Himmel war klar, fast blendend blau. Schön und hoffnungsvoll. Die neunziger Jahre sind die Zeit jämmerlicher Trugschlüsse.
    Auf der Fahrt an jenem Morgen dachte ich an Maggie Rose Dunne. Ich mußte davon ausgehen, daß sie jetzt tot war. Ihr Vater schlug jede Menge Krach in den Medien. Ich konnte es ihm nicht verübeln. Mit Katherine Rose hatte ich zweimal telefoniert. Sie hatte die Hoffnung nicht aufgegeben. Sie hatte zur mir gesagt, sie »spüre«, daß ihr kleines Mädchen noch am Leben sei. Es war das Traurigste, was sie hätte sagen können.
    Ich versuchte, mich auf Soneji/Murphy vorzubereiten, aber ich war abgelenkt. Bilder aus der Nacht davor blitzten immer wieder vor meinen Augen auf. Ich mußte mich daran erinnern, daß ich durch den Mittagsverkehr der Hauptstadt fuhr und daß ich arbeitete.
    Da kam mir eine blendende Idee: eine überprüfbare Theorie über Gary Soneji/Murphy, die in psychologischer Hinsicht sinnvoll wirkte.
    Daß ich eine interessante Theorie du jour hatte, half im Gefängnis meiner Konzentration auf die Sprünge. Ich wurde zu Soneji in den fünften Stock gebracht. Er wartete auf mich. Er sah aus, als hätte auch er die ganze Nacht nicht geschlafen. Jetzt war es an mir, etwas zu bewirken.
    Ich bearbeitete ihn an jenem Nachmittag eine volle Stunde, vielleicht sogar etwas länger. Mit harten Bandagen. Vermutlich mit härteren als jeden anderen Patienten.
    »Gary, haben Sie je Quittungen in Ihren Taschen gefunden – von Hotels, Restaurants, Einkäufen –, sich aber nicht daran erinnern können, das Geld ausgegeben zu haben?«
    »Woher wissen Sie das?« Bei meiner Frage leuchteten seine Augen auf. Etwas wie Erleichterung ging über sein Gesicht. »Ich habe denen doch gesagt, ich will, daß Sie mein Arzt sind. Dr. Walsh braucht gar nicht mehr zu kommen. Er ist bloß dazu nütze, mir Chloralhydrat zu verschreiben.«
    »Ich bin mir nicht sicher, ob das eine gute Idee ist. Ich bin Psychologe, kein Psychiater wie Dr. Walsh. Außerdem gehöre ich zu dem Team, das dabei geholfen hat, Sie festzunehmen.«
    Er schüttelte den Kopf. »Das weiß ich alles. Aber Sie sind der einzige, der zuhört, ehe er sich ein endgültiges Urteil bildet. Ich weiß, Sie hassen mich – weil Sie glauben, ich habe die beiden Kinder entführt, und wegen der anderen Sachen, die ich gemacht haben soll. Aber Sie hören wenigstens zu. Walsh tut nur so.«
    »Sie müssen weiter mit Dr. Walsh sprechen«, sagte ich.
    »Gut. Ich glaube, ich habe jetzt begriffen, wie das hier läuft. Aber lassen Sie mich bitte nicht in diesem Höllenloch allein.«
    »Ich lasse Sie nicht allein. Von jetzt an bin ich Ihr Begleiter. Wir reden weiter wie bisher.«
    Ich bat Soneji/Murphy, mir von seiner Kindheit zu erzählen.
    »Ich kann mich an wenig erinnern. Ist das nicht seltsam?« Er wollte reden. Es lag bei mir, in meinem Ermessen, zu entscheiden, ob ich die Wahrheit hörte oder einen Haufen kunstvoll konstruierte Lügen.
    »Bei manchen Menschen ist das normal, sich nicht zu erinnern. Manchmal kommen Dinge zurück, wenn man darüber spricht, sie verbalisiert.«
    »Ich kenne die Tatsachen. Okay. Geboren am vierundzwanzigsten Februar neunzehnhundertsiebenundfünfzig. In Princeton, New Jersey. So was weiß ich. Manchmal glaube

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