Untitled
kann es nicht. Die meisten haben keine Achtung vor uns. Sie lügen uns ins Gesicht. So sind sie, jedenfalls Menschen gegenüber, die >
sie nicht für gleichwertig halten.«
»Du klingst ja wie ein Straßenrevolutionär. Farrakhan oder Sonny Carson«, sagte ich. Ich fing an, den Tisch abzuräumen, trug Teller und Besteck zu unserem alten Porzellanspülbecken.
»Ich bin nicht stolz auf diese Gefühle, aber ich kann auch nichts dagegen tun.« Nana Mamas Blick folgte mir.
»Das ist also Jezzies Verbrechen? Daß sie weiß ist?«
Nana rutschte auf dem Stuhl herum. Sie rückte die Brille zurecht, die sie an einer Schnur um den Hals trug. »Ihr Verbrechen ist, daß sie etwas mit dir angefangen hat. Sie scheint zu wollen, daß du deine Polizeikarriere wegwirfst, alles, was du hier im Südosten tust. Alles Gute in deinem Leben. Auch Damon und Jannie.«
»Damon und Janelle kommen mir nicht beunruhigt oder verletzt vor«, sagte ich zu Nana Mama. Meine Stimme wurde etwas lauter. Ich stand mit einem Stapel schmutzigem Geschirr da.
Nana schlug mit der Handfläche gegen die Holzlehne ihres Stuhls. »Verdammt noch mal, das liegt daran, daß du Scheuklappen aufhast, Alex. Du bist für sie die Sonne und der Himmel. Damon hat Angst, daß du ihn verläßt.«
»Falls die Kinder durcheinander sind, liegt das daran, daß du sie aufregst.« Ich sagte, was ich empfand, was ich für die Wahrheit hielt.
Nana Mama ruckte im Stuhl zurück. Ein leises Geräusch kam aus ihrem Mund. Sie war tief verletzt.
»Wie kannst du bloß so was Unrechtes sagen. Ich beschütze die beiden Kinder, wie ich dich beschützt habe. Ich habe mein Leben damit verbracht, mich um andere zu kümmern, auf andere aufzupassen. Ich tue niemandem weh, Alex.«
»Eben hast du mir weh getan«, sagte ich. »Und das weißt du.
Du weißt, was die Kinder mir bedeuten.«
Nana hatte Tränen in den Augen, aber sie steckte nicht zurück. Sie hielt meinen Blick mit ihrem fest. Unsere Liebe ist stark und kompromißlos. So war es immer gewesen.
»Ich will nicht, daß du dich später bei mir entschuldigst, Alex. Für mich spielt es keine Rolle, daß du Schuldgefühle bekommen wirst, weil du eben so mit mir gesprochen hast. Für mich spielt eine Rolle, daß du dich schuldig gemacht hast. Du gibst alles für eine Beziehung auf, aus der nie etwas werden kann.«
Nana Mama verließ den Küchentisch und ging nach oben. Ende des Gesprächs. Einfach so. Ihre Meinung stand fest.
Gab ich alles auf, um mit Jezzie zusammenzusein? War es eine Beziehung, aus der nie etwas werden konnte? Ich konnte es noch nicht wissen. Ich mußte es selbst herausfinden.
59. Kapitel
Jetzt begann ein Aufmarsch medizinischer Sachverständiger, die beim Prozeß gegen Soneji/Murphy aussagten. Gerichtsmediziner traten in den Zeugenstand, manche für Wissenschaftler seltsam schrullig und exzentrisch. Sachverständige kamen vom Walter-Reed-Institut, vom Gefängnis Lorton, von der Armee, vom FBI.
Fotos und schematische Darstellungen wurden gezeigt und zu Tode erklärt; auf den gespenstischen Skizzen, die in der ersten Prozeßwoche dominierten, wurden die Tatorte immer wieder vorgeführt.
Acht Psychiater und Psychologen wurden in den Zeugenstand gerufen, um zu untermauern, daß Gary Soneji/Murphy seine Handlungen unter Kontrolle hatte; daß er ein irregeleiteter Soziopath war; daß er rational, kaltblütig und geistig völlig gesund war.
Er wurde als »kriminelles Genie« beschrieben, ohne Gewissen und Reue; als glänzender Schauspieler, »hollywoodreif«, was der Grund dafür war, daß er so viele Menschen manipuliert und getäuscht hatte.
Aber Gary Soneji/Murphy hatte tatsächlich bewußt und absichtlich zwei Kinder entfuhrt; er hatte eines oder beide umgebracht; er hatte andere Menschen getötet – mindestens fünf, möglicherweise mehr. Er war das menschliche Ungeheuer, von dem wir alle Alpträume haben … Das sagten alle Sachverständigen der Anklage.
Die psychiatrische Leiterin am Walter-Reed-Institut war fast einen ganzen Nachmittag lang im Zeugenstand. Sie hatte ein dutzendmal mit Gary Murphy gesprochen. Nach einer langen Schilderung seiner gestörten Kindheit in Princeton, New Jersey, und der Teenagerjahre, die von gewalttätigen Ausbrüchen gegen Menschen und Tiere geprägt gewesen waren, wurde Dr. Maria Ruocco darum gebeten, ihre psychiatrische Einschätzung von Gary Murphy vorzutragen.
»Ich sehe in ihm einen äußerst gefährlichen Soziopathen. Ich glaube, Gary Murphy ist sich all seiner
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