Untitled
Maggie Rose. Niemand erinnerte sich an sie. Das glaubte sie jedenfalls in ihrem gebrochenen Herzen.
57. Kapitel
In den nächsten zwei Wochen kam ich ein halbes dutzendmal mit Soneji/Murphy zusammen. Er ließ mich nicht wieder nahe an sich heran, obwohl er behauptete, es sei nicht so. Etwas hatte sich verändert. Ich hatte den Kontakt zu ihm verloren. Zu beiden Garys.
Am fünfzehnten Oktober verfügte ein Bundesrichter eine Vertagung und verzögerte kurzfristig die Eröffnung des Prozesses in dem Kidnappingfall. Das war die letzte Verzögerungstaktik von Soneji/Murphys Verteidiger Anthony Nathan. Innerhalb einer Woche, blitzschnell für ein so kompliziertes juristisches Verfahren, hatte Richterin Linda Kaplan den Einspruch der Verteidigung abgelehnt. Die Anträge an das Oberste Bundesgericht, die Beschwerde gegen die Entscheidung einlegten, wurden ebenfalls abgelehnt. Nathan nannte das Oberste Bundesgericht in allen drei Fernsehsendern »einen gut organisierten Lynchmob«. Das Feuerwerk fange erst an, sagte er der Presse. Er gab den Ton vor, in dem der Prozeß geführt werden würde.
Am siebenundzwanzigsten Oktober fing der Prozeß gegen Murphy an. An jenem Morgen um fünf vor neun gingen Sampson und ich auf einen Hintereingang des Bundesgerichts an der Indiana Avenue zu. Wir waren inkognito unterwegs, so gut das ging.
»Willst du Geld verlieren?« fragte Sampson, als wir in die Indiana Avenue einbogen.
»Ich hoffe, du redest nicht darüber, Geld auf den Ausgang des Prozesses wegen Kidnapping und Mord zu setzen?«
»Aber klar doch, Schätzchen. Dann vergeht die Zeit schneller.«
»Was wettest du?«
Sampson zündete sich eine Corona an und blies ein VZeichen in die Luft. »Ich setze … Ich sage, er kommt nach St. Elizabeth, in irgendeine Anstalt für geisteskranke Kriminelle. Das ist meine Wette.«
»Damit willst du sagen, unser Justizsystem funktioniert nicht.«
»Das spüre ich in jedem Knochen im Leib. Vor allem dieses Mal.«
»In Ordnung – ich setze auf schuldig, Kidnapping in zwei Fällen. Und Mord.«
Sampson paffte noch ein V-Zeichen. »Willst du gleich bezahlen? Sind fünfzig für den Verlierer angemessen?«
»Fünfzig sind von mir aus in Ordnung. Die Wette gilt.«
»Abgemacht. Ich nehme mit Vergnügen das bißchen, was du hast.«
Vor dem Eingang in der 3rd Street drängte sich eine Menge aus zweitausend Menschen um das Gerichtsgebäude. Weitere zweihundert, darunter sieben Reihen Reporter, waren schon drin. Der Ankläger hatte versucht, die Presse auszuschließen, aber das war abgelehnt worden.
Jemand hatte Schilder drucken lassen, die überall waren: Maggie Rose lebt!
Vor dem Gericht wurden Rosen verteilt. Überall auf der Indiana Avenue liefen freiwillige Helfer mit Rosen herum. Andere verkauften Anstecknadeln zur Erinnerung. Am beliebtesten waren die kleinen Kerzen, die zum Gedenken an Maggie Rose ins Fenster gestellt wurden. Eine Handvoll Reporter warteten am Hintereingang, der Lieferanten und besonders öffentlichkeitsscheuen Richtern und Anwälten vorbehalten war. Die meisten erfahrenen Cops, die ins Gericht kamen und der Menge ausweichen wollten, wählten ebenfalls den Hintereingang. Sofort wurden mir und Sampson Mikrophone hingehalten. Fernsehkameras richteten sich auf uns. Beides brachte uns nicht mehr aus der Fassung.
»Detective Cross, ist es wahr, daß Sie das FBI von dem Fall ausgeschlossen hat?«
»Nein. Meine Beziehungen zum FBI sind in Ordnung.«
»Besuchen Sie Gary Murphy immer noch in Lorton, Detective?«
»Das klingt ja, als hätten wir eine persönliche Beziehung. Soweit ist es noch nicht. Ich gehöre zu einem Ärzteteam, das sich mit ihm beschäftigt.«
»Ist in diesem Fall in Bezug auf Sie unterschwelliger Rassismus im Spiel?«
»Unterschwelliger Rassismus ist wohl häufig im Spiel. In diesem Fall nicht mehr als sonst.«
»Und der zweite Detective? Detective Sampson. Sind Sie auch dieser Meinung, Sir?« fragte ein junger Dandy mit Fliege.
»Selber, Sir. Sie sehen ja, daß wir durch den Hintereingang hineingehen. Wir sind bloß Statisten.« Sampson grinste in die Kamera. Er nahm die Sonnenbrille nicht ab.
Wir schafften es schließlich zum Lieferantenaufzug und versuchten, die Reporter aus unserer Kabine herauszuhalten, was nicht einfach war.
»Wir haben erfahren, daß Anthony Nathan auf zeitweilige Zurechnungsunfähigkeit plädieren will. Ein Kommentar dazu?«
»Kein Kommentar. Fragen Sie Anthony Nathan.«
»Detective Cross, werden Sie im Zeugenstand
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