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Untitled

Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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aussagen, daß Gary Murphy nicht zurechnungsunfähig ist?«
    Endlich ging die alte Tür zu. Der Aufzug holperte hinauf in den siebten Stock, in den »siebten Himmel«, wie er in Fachkreisen heißt.
    Der siebte Stock war nie ruhiger, nie besser überwacht gewesen. Die übliche Flut aus Polizisten, jungen Delinquenten mit ihren Angehörigen, abgebrühten Ganoven, Anwälten und Richtern war durch die Anweisung, das Stockwerk für diesen einen Fall zu reservieren, eingedämmt worden. Das war der große Fall. Der »Jahrhundertprozeß«. War das nicht genau das, was Gary Soneji gewollt hatte?
    Ohne das übliche Chaos war das Bundesgericht wie ein alter Mensch, der morgens aus dem Bett steigt. Alle Falten und Schrammen waren im Morgenlicht, das durch die Kirchenfenster auf der Ostseite strömte, deutlich zu sehen.
    Als wir ankamen, betrat eben die Anklägerin den Gerichtssaal. Mary Warner war eine winzige, sechsunddreißig Jahre alte Staatsanwältin vom Sechsten Berufungsgericht. Sie galt dem Verteidiger Anthony Nathan vor Gericht als ebenbürtig. Wie Nathan hatte sie noch nie eine Niederlage einstecken müssen, jedenfalls nicht in einem wichtigen Fall. Mary Warner hatte einen blendenden Ruf wegen unermüdlicher Vorbereitung und ihres fehlerlosen, überzeugenden Auftretens vor Gericht. Ein geschlagener Gegner hatte gesagt: »Es ist, als ob man gegen jemanden Tennis spielt, der jeden Ball zurückbringt. Ihr bester Spin – er kommt zurück. Ihr Paradeschlag – er kommt zurück. Früher oder später spielt sie einen in Grund und Boden.«
    Vermutlich war Ms. Warner von Jerrold Goldberg ausgesucht worden, und Goldberg hätte jeden Ankläger haben können, den er wollte. Er hatte sie James Dowd und anderen Anfangsfavoriten für die Anklage vorgezogen.
    Auch Carl Monroe war da. Bürgermeister Monroe liebte das Bad in der Menge. Er sah mich, kam aber nicht her, ließ nur über das Gedrängel hinweg sein patentiertes Lächeln aufblitzen.
    Wenn ich nicht schon genau gewußt hätte, wie er zu mir stand, hätte ich es jetzt gewußt. Meine Ernennung zum Abteilungsleiter war meine letzte Beförderung gewesen. Sie hatten das nur gemacht, um zu beweisen, daß ich eine gute Wahl für das Geiselrettungsteam gewesen war, und um möglichen Fragen nach meinem Verhalten in Miami zuvorzukommen.
    Vor dem ersten Verhandlungstag war die große Nachricht in Washington gewesen, Finanzminister Goldberg habe an der Anklageschrift mitgearbeitet. Das und die Tatsache, daß Anthony Nathan der Verteidiger war.
    Nathan war von der Post ein »Ninjakrieger im Gerichtssaal« genannt worden. Er hatte seit dem Tag, an dem er die Vertretung von Soneji/Murphy übernommen hatte, regelmäßig Schlagzeilen gemacht. Nathan war ein Thema, über das Gary nicht mit mir reden wollte. Einmal hatte er gesagt: »Ich brauche einen guten Anwalt, nicht wahr? Mr. Nathan hat mich überzeugt. Das wird er bei den Geschworenen auch schaffen. Er ist unglaublich listig, Alex.« Listig?
    Ich fragte Gary, ob Nathan so schlau wie er sei. Gary lächelte und sagte: »Warum sagen Sie immer, ich sei schlau, wo ich es doch gar nicht bin? Wenn ich so schlau wäre, wäre ich dann hier?«
    Er war in den letzten Wochen kein einziges Mal von Gary Murphys Persönlichkeit abgewichen. Er hatte sich außerdem geweigert, sich wieder hypnotisieren zu lassen.
    Ich beobachtete Garys Superanwalt Anthony Nathan, wie er aufgeblasen herumstolzierte. Er war eindeutig manisch, allgemein bekannt dafür, Zeugen im Kreuzverhör in Rage zu bringen. Verfügte Gary über die Geistesgegenwart, sich Nathan auszusuchen? Was hatte die beiden zusammengebracht?
    In einer Hinsicht wirkten sie allerdings wie ein ideales Paar – ein Mann im Grenzbereich des Wahnsinns, der einen Wahnsinnigen verteidigte. Anthony Nathan hatte schon öffentlich erklärt: »Das wird der reine Zoo! Ein Zoo oder ein Gerichtsspektakel wie im Wilden Westen! Das verspreche ich Ihnen. Die könnten Karten für tausend Dollar pro Platz verkaufen.«
    Mein Puls raste, als der Gerichtsdiener schließlich vor der Versammlung stand und den Saal zur Ordnung rief.
    Ich sah Jezzie im Saal. Sie war angezogen, wie es ihrer Wichtigkeit beim Service entsprach. Nadelstreifenkostüm, hohe Absätze, glänzender schwarzer Diplomatenkoffer. Sie sah mich und verdrehte die Augen.
    Auf der rechten Seite des Gerichtssaals sah ich Katherine Rose und Thomas Dunne. Ihre Gegenwart machte das Ganze noch unwirklicher. Ich mußte an Charles und Anne Morrow Lindbergh und an den

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