Untot | Sie sind zurück und hungrig
mich recht entsinne, haben sie es nicht so mit Klettern. Schön für mich.
Ich schiebe mich auf Ellbogen und Knien vorwärts, weil die Höhe nicht ganz ausreicht, um richtig auf allen vieren zu krabbeln. Eine rutschige Angelegenheit; ich habe immer wieder das Gefühl, überhaupt nicht voranzukommen. Meine feuchten Handflächen quietschen auf der metallenen Auskleidung des Schachtes. Hoffentlich gehört das hier nicht zur Heizanlage. Falls die Heizung anspringt, werde ich nämlich geröstet wie der größte Truthahn vom ganzen Bauernhof. Happa, happa.
Ich knalle in der Vorwärtsbewegung mit der Hand an irgendwas Massives. Autsch! Doch eine Sackgasse? Mich verlässt der Mut. Aber warte mal … Oben an meinem Kopf spüre ich einen Luftzug. Ich schaue da hinauf. Nichts zu sehen, gar nichts. Ich hebe eine Hand. Alles klar, es geht also aufwärts. Ich ziehe die Beine unter den Körper und stehe vorsichtig auf. Als ich fast vollständig aufgerichtet bin, stößt mein kahler Kopf oben an. Vor mir ist wieder eine Öffnung. Schick. Wir sind jetzt eine Ebene höher. Ich ziehe mich da hinauf und in den neuen Schacht hinein.
Jetzt, wo ich mich ein gutes Stück von dem Zimmer entfernt habe, sind die Ächzlaute nicht mehr zu hören. Dafür ein tiefes Brummen, eine Art Pochen oder Dröhnen. Mir wird ganz anders, wenn ich mir vorstelle, was mich erwartet. Ist da vorn im Schacht vielleicht eins von diesen Viechern? Klar, klettern können sie zwar nicht, aber wenn sie da vorn irgendwie anders reingekommen sind? Das ist absolut möglich. Ich halte an und liege da, lausche nach diesem Geräusch.
Ach du Kacke, das könnte auf jeden Fall ein Ächzen sein. Ich könnte hier in den Tod krabbeln.
Aber dann wird mir klar, dass das Geräusch zu gleichmäßig ist. Das muss eine Maschine sein. Ich raffe meinen ganzen Mut zusammen und mache weiter. Der einzige Weg führt nach vorn. Es ist heiß hier drin, ich schwitze in meinem Pulli. Trotzdem wär’s mir lieber, wenn ich auch an den Beinen etwas anhätte.
Ich stoße wieder gegen eine Wand. Noch mal nach oben? Nein – der Luftzug trifft meine rechte Wange. Der Schacht macht einen scharfen Knick. Ich drehe mich auf die Seite und schiebe mich um neunzig Grad herum. Der Luftzug wird stärker, das Dröhnen plötzlich laut.
He, ich kann da vorn irgendwas sehen! Ein helles Quadrat, nur schwach zu erkennen. Ich krieche weiter.
Am Ende des Schachtes ist ein Ventilator und durch ein Gitter am Boden dringt Licht. Nach rechts geht es auch weiter. Was tun? Was tun? In beiden Richtungen könnte ein Ausgang aus diesem Kriechtunnelsystem liegen.
Ich starre durch das Gitter in den Raum hinunter.
Ein Bett.
Ich beuge mich ein Stück vor, um so einen besseren Blickwinkel zu bekommen.
Ein Kopf? Ja, da kauert ein Mädchen auf der Bettkante. Ich lehne mich noch weiter vor, damit ich mehr sehen kann. Sie hat die Beine angezogen. Als ob sie Schutz sucht. Hoffnung erfasst mich – Leute, wir haben jemand Lebendes gefunden!
Ich drücke vorsichtig gegen das Gitter – ich will ihr keinen Schrecken einjagen, aber wie lässt sich das vermeiden? Mist, das Teil rührt sich kein Stück. Soll ich laut rufen? Besser nicht, dann dreht sie am Ende noch durch. Außerdem will ich sichergehen, dass sie nicht infiziert ist oder verrückt oder so. Ich übe mehr Druck auf das Gitter aus. Plötzlich gibt es nach und fällt hinunter, dem Mädchen voll auf den Kopf.
Sie rollt sich mit einem Aufschrei vom Bett herunter. Scheiße! Habe ich sie umgebracht?
Ich höre Weinen. Puh. Sie ist jetzt vielleicht für immer behindert, aber sie lebt. Ich stütze mich auf die Unterarme und überlege, wie ich nach unten ins Zimmer komme. Zum Umdrehen ist es zu eng hier, also muss ich mit dem Kopf voran da hinunter. Ich halte mich fest und rutsche langsam durch die Öffnung wie ein Baby bei der Geburt: Kopf, Schultern, dann der Hintern. Dann lasse ich mich kopfüber im Schweinebaumel hängen.
Vielleicht hilft mir das Mädchen …? Ich schaue mich nach ihr um.
Noch bevor ich sie sehe, höre ich einen Aufschrei und bekomme einen Schlag ins Gesicht. Ich falle auf das Bett – das ruhig etwas weicher sein könnte – und das Mädchen greift mich an; sie schlägt mir mit irgendwas auf den Kopf, und zwar richtig mit Schmackes. Ich reiße schützend die Arme hoch vor mein Gesicht.
»Lass das! Alles okay. Ich bin keine von denen!«
Die Schläge hören auf. Ich spähe hinter meinen Armen hervor.
Wer da mit wildem Gesicht über mir steht
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