Unvergessen wie Dein Kuss
beschwor eine Fülle von erotischen Vorstellungen in Isabella herauf, die weit eindringlicher waren als gemalte Fresken – und für den Ballsaal der Duchess gänzlich ungeeignet. Sie schluckte und versuchte, die Erinnerung aus ihrem Gedächtnis zu verbannen, wie sie in leidenschaftlicher Hingabe die Hitze seines Mundes auf ihren Lippen gespürt hatte.
“Sie werden feststellen”, sagte sie dann und räusperte sich, “dass die Einreise nach Cassilis Ihnen verwehrt sein wird, Mylord. Reisen ist eine unsichere Sache, und Sie sind”, sie hielt inne, “nicht immer der willkommenste Besucher.”
Marcus’ Augen ruhten nachdenklich auf ihrem Gesicht. Plötzlich wurde Isabella sich der aufkommenden Erheiterung um sie herum bewusst, und erschrak. Sie hatte fast ganz vergessen, dass sie Publikum hatten. So sehr war sie gefangen in den starken Gefühlsaufwallungen, die Marcus’ Anwesenheit in ihr ausgelöst hatte.
“Wir werden sehen”, sagte Marcus. Er beobachtete sie noch immer. “Da wir so vieles gemeinsam haben, Cousine Isabella, sollten wir vielleicht lieber beiseite treten und unsere beiderseitigen … Neigungen weiter diskutieren, als dass wir diese guten Leute mit unseren Geschichten langweilen?”
Isabella merkte, wie sich die Duchess of Plockton neben ihr über diesen Vorschlag entrüstet zeigte, denn sie war entschlossen, sich von einer Fürstin nicht die Schau stehlen zu lassen. Deshalb sah Isabella Marcus mit ihrem reizendsten Lächeln an und sagte: “Mir würde es nie einfallen, Mylord, Ihre Gesellschaft allein in Anspruch zu nehmen. Ich fürchte, ich bin der Reiseerzählungen ziemlich überdrüssig.”
Marcus sah sie ebenfalls lächelnd an. Aber es war kein entgegenkommendes Lächeln.
“Ich bin untröstlich, dass Sie mich langweilig finden könnten, Fürstin Isabella”, sagte er leise. “Geben Sie mir die Gelegenheit, Sie vom Gegenteil zu überzeugen.”
Spätestens jetzt begann die Intimität des Wortwechsels ihre Wirkung auf die Umstehenden zu zeitigen. Alistair Cantrell schien reichlich verlegen zu sein, er sah aus, als wünschte er sich weit weg. Pen sah angespannt zwischen ihrer Schwester und Marcus hin und her.
“Wir langweilen unser Publikum, Lord Stockhaven”, sagte Isabella freundlich.
Marcus wandte seinen Blick nicht von ihrem Gesicht ab. “Dann lassen Sie uns unter vier Augen weitersprechen”, wiederholte er.
Sie schüttelte langsam den Kopf. “Bitte nehmen Sie es mir nicht übel, Mylord”, sagte sie, “aber das möchte ich nicht. Ein Gentleman müsste schon außergewöhnlich sein, um in mir den Wunsch zu wecken, meine Zeit mit ihm zu verbringen.”
“Ganz wie Sie vorhin schon über englische Liebhaber bemerkten, Madam.” Marcus hatte sie wieder enger an sich gezogen. Seine breiten Schultern versperrten ihr den Blick auf den übrigen Ballsaal, sodass sie sich wie vom Rest der Welt ausgesperrt vorkam. Ihr Puls schlug heftig, und ihr gesamter Körper war angespannt von der Anstrengung, jedem Wort und jeder Herausforderung etwas Gleichwertiges entgegenzusetzen.
Marcus sprach leise. Sein Ton war rau, so als ob ein Messer über Seide strich.
“Sie sollten mir die Chance geben, Hoheit. Ich bestehe darauf. Sie werden feststellen, dass meine Erzählungen – und meine anderen Qualitäten – alles andere als langweilig sind. Das versichere ich Ihnen.” Er blickte um sich und sprach dann mit Absicht etwas lauter: “Um Sie zu überzeugen, sollte ich vielleicht in Gegenwart all dieser guten Leute bekannt machen, dass Sie meine …”
Das Wort
Ehefrau
schien förmlich greifbar in der spannungsgeladenen Luft zu hängen. Isabella durchfuhr es eiskalt. Er würde sie doch wohl nicht in der denkbar empörendsten Weise vor all diesen Leuten bloßstellen? Aber nun, warum nicht? Das würde zu Marcus passen. Er fürchtete sich vor keinem Skandal.
“Lord Stockhaven!”, brach es aus Isabella heraus, halb als Bitte und halb als Warnung.
“… dass Sie meine Anregung auf meinen Reisen sind”, beendete er lächelnd seinen Satz.
Den unterschwelligen Spott in seiner Stimme nahm Isabella deutlich wahr. Sie fühlte sich schwach vor Erleichterung und Zorn. Wieder verwünschte sie ihn innerlich dafür, dass er ihr das antat und es auch noch genoss. Er sollte im Fleet-Gefängnis hinter Schloss und Riegel sein! Es war unentschuldbar, dass er frei war. Ganz offensichtlich hatte er sie überlistet, und sie war jetzt so wütend, dass sie ihm auf der Stelle sagen wollte, was sie von ihm hielt.
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