Unvergessliches Verlangen: Roman (German Edition)
loslachen zu müssen wie eine Verrückte. Konnte sie es wagen, die Duchess um Hilfe zu bitten? Konnte sie diese reizende Frau in Gefahr bringen?
»Es tut mir leid«, sagte sie und war sich bewusst, wie panisch sie klang. »Könnten Sie … ich meine, nun ja, ich muss so bald wie möglich fort. Meine Arbeitgeberin, Mrs …«
»Bottomly.« Die Duchess nickte und strich sich sorgfältig die Regentropfen von ihrem Kleid. »Ja, mir ist zu Ohren gekommen, dass sie davongelaufen ist. Sie hat Sie im Stich gelassen, nicht wahr?«
»Ich fürchte, ja. Ich dachte, ich nehme meine Siebensachen erst einmal mit ins Lazarett. Später kann ich mich um eine neue Anstellung kümmern, wenn die Dinge … wenn …«
»Wenn wir wissen, ob wir morgen englisch oder französisch sprechen«, sagte Lady Kate mit einem bestimmten Nicken. »Ja. Nun ja, Sie müssen sich keine Sorgen machen. Sie haben eine Anstellung. Lustigerweise suche ich gerade eine Gesellschafterin. Es ist furchtbar, dass ich mir selbst meine Umhänge heraussuchen muss. Es ist unter der Würde einer Duchess, finden Sie nicht?«
Olivia schnappte nach Luft. »Was ist mit Lady Beatrice?«
Lady Kate tätschelte sie wie ein Kind. »Oh nein. Bea ist nicht meine Gesellschafterin. Sie ist meine liebe Freundin. Ich suche nach jemandem, der mir dabei hilft, meinen chaotischen Haushalt zu organisieren.« Mit einem letzten Blick auf Gervaise, der es unsicher auf die Beine geschafft hatte, packte sie Olivia und drehte sie Richtung Tür. »Ich denke, wir sollten gehen. Es gibt ungeheuer viel zu tun für Sie. Holen, tragen, schmeicheln …«
»Lady Kate, ich sage es nur ungern«, protestierte Gervaise mit erhobener Hand. »Aber Sie wissen nicht, wer diese Person wirklich ist.«
Ach, dachte Olivia und spürte, wie ihr Herz sich zusammenzog, jetzt kommt es.
Doch Lady Kate war offensichtlich nicht in der Stimmung, mehr zu tun, als nur die Augenbrauen zu heben. »Lieber Gervaise, sicherlich wissen Sie inzwischen, dass ich mir Klatschgeschichten zwar gern anhöre, allerdings nur selten glaube.«
»Aber Sie sollten wissen …«
Die Duchess blickte ihn so eindringlich an, dass er unwillkürlich einen Schritt zurücktrat. »Nein. Ich glaube nicht, dass ich das sollte. Und ich glaube nicht, dass ich irgendetwas von Ihnen hören will – vor allem nicht, wenn Sie es sowieso nicht gern sagen. Es würde nur Ihren wunderbaren Mund besudeln. Nein, ich bestehe darauf, dass Sie mir die Entscheidung hinsichtlich Mrs Grace selbst überlassen.« Sie streckte den Arm aus, nahm Olivia die Hutschachtel ab und schob ihre neue Begleitdame zur Tür. »Wir sollten aufbrechen, Olivia. Meine Kutsche wartet, und wir haben nicht viel Zeit. Ich habe zugestimmt, dass einige der verwundeten Soldaten zu mir nach Hause gebracht werden, und sie müssen versorgt werden.«
Olivia hätte widersprechen und ihrer neuen Freundin die Peinlichkeit ersparen sollen, sie entlassen zu müssen, wenn die Wahrheit ans Licht kam – denn das würde unweigerlich geschehen. Ein Blick auf die Verbitterung, die Gervaises Augen verdunkelte, reichte aus, um eine Entscheidung zu treffen. Sie konnte nicht riskieren, jetzt die Wahrheit zu verraten, auch nicht, um Lady Kate zu beschützen oder um ihre eigene Seele zu retten.
»Danke, Lady Kate«, sagte sie und machte einen Knicks. Noch immer hielt sie ihren Koffer an sich gedrückt. »Ich bin Ihnen sehr dankbar.«
Kates Lächeln war strahlend. »Ich bin nicht sicher, ob Sie Ihre Meinung nicht doch noch ändern, wenn Sie erst einmal das Chaos in meinem Haus gesehen haben. Aber Sie haben sich verpflichtet, meine liebe Olivia. Jetzt gibt es kein Zurück mehr.«
Und damit zog sie die Tür auf. Der Wind wehte Regen herein. Draußen wartete ein Diener mit einem aufgespannten Regenschirm. Lady Kate drängte an ihm vorbei und führte Olivia zur offenen Tür ihrer Kutsche, einer blauen Berline mit herzoglichen Rauten. Die Kutsche wurde von zwei der ohne Zweifel letzten Pferde in ganz Brüssel gezogen. Die riesige Flinte, die Olivia auf dem Schoß des Kutschers liegen sah, hatte vermutlich etwas damit zu tun.
Olivia wollte sich gerade an die weichen cremefarbenen Ledersitze lehnen, als etwas vor ihrem Fenster ihre Aufmerksamkeit erregte. Ein zweiter Mann wartete vor der Tür zur Pension. Er stand unter seinen Schirm gekauert, um sich vor dem starken Regen zu schützen. Sie fragte sich, was an ihm sie dazu veranlasste, ihn genauer zu betrachten.
Dann ging die Tür zur Pension auf, und Gervaise
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