Unvergessliches Verlangen: Roman (German Edition)
Lady Kate musste lächeln.
»Wenn du damit sagen willst, dass es sich für eine Duchess nicht ziemt, sich zu strecken, weiß ich das schon. Deshalb mache ich es auch nur vor dir, meine Liebe. Und nur hier, wo ich ganz sicher keines von Monsieurs Möbelstücken zerstöre.«
» Französisch «, spöttelte Lady Bea. Auf ihren feinen Zügen stand ein selbstzufriedener Ausdruck.
Lady Kate lachte. »Für meinen Geschmack ist es auch ein bisschen zu überladen«, gestand sie mit einem Blick auf die Einrichtung.
Der Gentleman, von dem sie das Haus gemietet hatte, war Opfer der Auswüchse des Rokoko geworden. Jede freie Oberfläche in dem kleinen Stadthaus war mit Fresken verziert, vergoldet und geschmückt. An der Decke gab es kein Fleckchen mehr, das nicht mit Stuck verschönert war. Die Möbel waren so zierlich, dass selbst ihr zwölfjähriger Page sich nicht daraufzusetzen wagte.
»Eine gebührende Einrichtung«, hatte der alte Monsieur Menard ihr im März versichert, als er sie durch das Haus in erstklassiger Lage an der Rue Royale geführt hatte. Gleich gegenüber befand sich der Parc Royale. Kate war sich sicher: Wenn Menard gewusst hätte, wie seine übertrieben sorgfältig und feminin eingerichteten Räumlichkeiten benutzt wurden, würde er augenblicklich einen Schlaganfall erleiden.
»Es ist eine einzigartige Gestaltung für ein Krankenhaus«, überlegte Lady Kate laut und dachte an all die Verwundeten, die in den Zimmern lagen.
Und für eine Leichenhalle. Sie konnte nicht vergessen, dass Grace Fairchilds Vater in dem kalten Weinkeller aufgebahrt worden war.
Kopfschüttelnd führte sie Lady Bea die kunstvoll verzierte Treppe aus rosafarbenem Marmor hinunter. Verdammt, dachte sie. Sie hatte in ihrem Leben schon einiges gesehen und sich Dämonen und Desastern gestellt. Die tapfere Bea konnte das bestätigen. Doch noch nie hatte sie so etwas erlebt wie in den vergangenen paar Tagen.
Und es gab noch so vieles zu tun. Grace musste ihren Vater beerdigen, und die Verwundeten mussten versorgt werden. Die anderen britischen Besucher in der Stadt mussten davon überzeugt werden, noch mehr dringend benötigte Vorräte zu beschaffen. Und Kate musste wissen, was in ihrem zweitbesten Gästezimmer vor sich ging.
»Ich habe dich doch oben richtig verstanden, oder?«, fragte sie Bea, als sie die Treppe hinuntergingen. »Du hast unseren Gast erkannt? Das ist Jack Wyndham höchstpersönlich – oder ich will Marie Antoinette sein.«
Lady Bea tätschelte ihren Arm. »Odysseus.«
Lady Kate strich mit der Hand über das Geländer. »Und unsere Olivia wusste, wer er war.«
Lady Bea nickte nachdrücklich. »Penelope.«
Lady Kate blieb abrupt stehen und hätte ihre Freundin beinahe ins Stolpern gebracht. » Was? «
Lady Bea nickte. »Penelope.«
Die Duchess schnappte nach Luft. »Grundgütiger. Wie kannst du dir so sicher sein?«
Lady Bea zuckte mit den Schultern.
Lady Kate blickte nach oben, als ob sie in den Raum sehen könnte, in dem Jack Wyndham bewusstlos im Bett lag und die Frau, die sich um ihn kümmerte, nicht zugeben wollte, dass sie ihn kannte.
»Tja, du meine Güte«, sagte sie kopfschüttelnd. »Kein Wunder, dass sie uns seine Identität nicht bereitwillig preisgegeben hat. Was sollen wir jetzt tun?«
Bea sah nachdenklich die Treppe hinauf. »Beten.«
»In der Tat.« Lady Kate seufzte. »Ich hoffe nur, dass wir ihre Identität ein paar Tage lang vor den anderen geheim halten können. Wir brauchen sie bei der Pflege der Verwundeten.«
In dem Moment kam Finney aus der Bibliothek, in der einige Verletzte lagen. Lady Kate musste immer lächeln, wenn sie den schwerfälligen Finney mit den hängenden Schultern, den Blumenkohlohren und den buschigen Augenbrauen sah. Er war ein durchschnittlicher Kämpfer gewesen. Als Butler war er nicht viel besser. Aber er sorgte dafür, dass sie sich absolut sicher fühlte.
»Die Männer haben ihr Essen bekommen, Euer Durchlaucht«, sagte er mit seiner tiefen ruhigen Stimme. »Soll ich im Haus noch etwas erledigen?«
»Es gibt noch einiges zu tun, Finney«, sagte sie und nahm zwei Hauben vom Flurtischchen. »Lady Bea und ich gehen aus. Sorgen Sie dafür, dass Mrs Grace ihren Schlaf bekommt. Tun Sie ihr etwas ins Essen, wenn es nötig ist. Ich habe das Gefühl, dass sie in den nächsten Tagen ihre Kraft braucht. So, wie wir alle.«
»Sie wird sich bestimmt nicht dagegen wehren, Ma’am«, sagte Finney und öffnete ihnen die Eingangstür.
Mit einem strahlenden Lächeln drehte
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