Unvergessliches Verlangen: Roman (German Edition)
nicht kennen. Sie tat nicht länger so, als würde ihr sein Wohlergehen nicht mehr bedeuten als das von allen anderen im Haus. Jedes Mal, wenn der Sergeant die Nadel durch Jacks Haut gestoßen hatte, war sie zusammengezuckt. Sie war zusammengezuckt, als sie das Klicken von Lady Kates Pinzette gehört hatte, während er Granatsplitter aus Jacks Bein gezogen hatte. Und sie war zusammengezuckt, als sie die Wunden gezählt und die älteren Narben gesehen hatte, die sie noch nicht kannte.
Sie wollte ruhig bleiben und sich ihm und seiner Wirkung auf sie widersetzen. Aber er war nun einmal der Mann, den sie in sich willkommen geheißen hatte, der Mann, den sie angebetet hatte wie einen jungen Gott. Der Mann, dessen bloße Berührung in ihr ein weiß glühendes Feuer der Lust ausgelöst hatte, das nie erloschen war.
Selbst jetzt konnte sie es spüren, als würde seine Haut eine Kraft aussenden, die nur ihr Körper erkannte. Als würde dieses unsichtbare Band niemals durchtrennt; Fesseln, die sie zusammenhielten; eine Verbindung, die Feuer und Leben und Begierde auslöste.
Sie wollte ihn nicht. Es ging nicht. Doch – oh Gott – sie sehnte sich nach der Erinnerung an ihn.
»Hier bitte, Ma’am.« Harper riss sie aus ihren Grübeleien.
Olivia kehrte schlagartig in die Gegenwart zurück. »Selbstverständlich, Sergeant.«
Sie streckte den Arm aus und schnitt die Enden eines Fadens ab, den er verknotet hatte. Gerade nähten sie einen bösen Schnitt, der sich von Jacks Kiefer zu seiner linken Schläfe zog. Ganz sicher würde eine Narbe zurückbleiben. Er würde nie mehr der umwerfende, perfekte Jack Wyndham sein, der spielend die gesamte feine Gesellschaft für sich eingenommen hatte. Diesen Tag würde er bis ans Ende seines Lebens mit sich herumtragen.
Für Olivia machte es keinen Unterschied. Sie hatte sich in ihn verliebt, ohne je sein Gesicht gesehen zu haben.
Sie hatte ihn durch die Hecke gehört. Sie wusste noch, dass es ein Samstag gewesen war, und sie war unterwegs zu der kleinen Kirche ihres Vaters in Little Wyndham, um Blumen vorbeizubringen. Inzwischen wusste sie, dass es Jacks Schwester Maddie gewesen war, mit der er dort entlangspazierte. Aber damals hatte sie nur sein Lachen gehört, und sie war wie angewurzelt stehen geblieben.
Eine ganze Zeit lang hatte sie nur dagestanden, die Blumen an die Brust gedrückt, die Augen geschlossen. Sein Lachen hatte für sie wie Kirchenglocken geklungen, eine Melodie von unbändiger Freude und Kraft und Freiheit. Es war das Lachen eines Mannes gewesen, der seinen Platz in der Welt kannte und der sein Leben genoss.
Selbst jetzt konnte sie ihn nicht ansehen, ohne zu staunen. Natürlich hatte sie sich in ihn verliebt. Als sie ihn getroffen hatte, hatten ihm die gesamte Grafschaft und zwei Drittel der Stadt zu Füßen gelegen. Dass dieser Mann mit den lachenden seegrünen Augen sie auch geliebt hatte, war ein Wunder gewesen.
Doch das noch viel größere Wunder war es gewesen, ihr Baby zu betrachten und die gleichen leuchtenden, einnehmenden Augen zu sehen.
Olivia senkte die Lider. Nein. Sie würde nicht an Jamie denken. Er lebte an einem Ort, den sie streng geheim halten musste – es war beinahe sicherer, so zu tun, als hätte es ihn nie gegeben.
Sie war so in Gedanken versunken, dass sie das Klopfen an der Tür hinter sich fast überhört hätte. Als sie sich umdrehte, sah sie Lady Bea eintreten. Lady Kate folgte ihr.
Unwillkürlich hielt Olivia die Luft an. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Lady Kate Jack nicht wiedererkennen würde, auch wenn er so zerschlagen und mit Wunden übersät war wie im Augenblick. Lady Kate schien einfach jeden zu kennen, und Jack war nicht irgendjemand.
Aber sie sah nur flüchtig zum Bett.
»Wie geht es ihm, Sergeant?«, fragte die Duchess.
Lady Bea sagte kein Wort, sondern trat nur ans Bett. Sie hatte die Stirn gerunzelt, als sie sich über Jack beugte, um ihn näher zu betrachten und zu untersuchen. Olivia konnte den Blick nicht von der eleganten älteren Dame abwenden. Sie fürchtete, dass sie sich aufrichten und ausrufen könnte: »Was macht dieser Verräter in unserem Haus?«
Neben ihr drückte Harper den Rücken durch. »Ich glaube, der arme Kerl hat noch einiges vor sich«, sagte er.
»Wird er es überleben?«, wollte Lady Kate wissen.
Olivia erstarrte.
»Nun ja, Durchlaucht«, entgegnete Harper und betrachtete die reglosen Gesichtszüge seines Patienten, »dazu kann ich nichts sagen. Wahrscheinlich wird er Fieber
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