Unvermeidlich
dem Wetter gibt es nur wenig, was ihn bei uns halten kann. Außerdem werden die Mädchen immer interessanter. Mädchen im Bikini natürlich umso mehr.“
„Er wird bald 15, oder?“
„Ja, leider. Die Zeit vergeht so schnell.“
Aus dem Augenwinkel bemerke ich, wie sie beiläufig über ihren Unterbauch streicht. Es könnte Zufall sein, doch die Tatsache, dass sie neuerdings überhaupt keinen Kaffee mehr trinkt, lässt einen vagen Verdacht in mir aufkeimen.
Nach dem Essen lassen sich die Männer von Anna beim Ballspiel durch den Garten jagen. Sie liebt diese Momente, in denen sie alle Aufmerksamkeit hat. Besonders wenn es nicht die von überbehütenden Frauen ist. Ich weiß schon längst, dass ihr ein Gegenpart zu mir im täglichen Leben fehlt, aber das ist einfach eines der Dinge, die ich nicht erzwingen kann und will. Denn letztendlich würde ich ihr damit schaden, wenn der Mann an meiner Seite nur ein Kompromiss ist.
Kati ist mit meiner Mutter in der Küche und mein Vater wickelt den Gartenschlauch ab, um wie versprochen für Anna das Planschbecken zu befüllen. Also sitze ich alleine im Schatten und versuche, mich auf ein Buch auf meinem E-Reader zu konzentrieren. Der Anblick vor mir macht es nicht gerade leicht. Ich bin glücklich, wenn meine Tochter es ist, aber es verdeutlicht, wie viel ich ihr nicht bieten kann. Nicht unbedingt auf finanzieller Ebene, da sind wir dank des Erbes meiner Großeltern noch ganz gut abgesichert. Doch dieses normale Familienleben, mit beiden Elternteilen, das fehlt ihr. Ich sehe ihre Blicke, wenn bei Veranstaltungen im Kindergarten ihre Freundinnen von Mama und Papa begleitet werden und sie hat deswegen auch schon oft genug geweint. Sie liebt ihren Vater, obwohl sie ihn selten sieht und er diese Liebe überhaupt nicht verdient hat.
„Sie ist groß geworden.“ Von mir unbemerkt hat Kati sich nach draußen geschlichen und macht sich jetzt auf einer Gartenliege neben mir lang.
„Das ist sie. Ich komme da kaum hinterher. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich an ihrem ersten Schultag besser eine Wagenladung an Taschentüchern mit mir rumschleppen sollte.“ Beim Tornisterkauf musste ich mich schon zusammenreißen, um nicht in Tränen auszubrechen.
Es ist spannend, Paul und Jakob zu beobachten. Früher waren sie nur beste Freunde, aber das hat sich im Laufe dieser Dreierbeziehung stark gewandelt. Sie kämpfen immer noch damit, wie sie sich in der Öffentlichkeit verhalten sollen, auch wenn es nur die Familie ist. Ich wünsche meinem Bruder, dass er einfach Pauls Hand nehmen kann, ohne das Gefühl, über seine Schulter nach unerwünschten Zuschauern suchen zu müssen. Aber in einer Zeit, in der die Gesellschaft um Akzeptanz von Homosexualität kämpft, darf man kaum auf die Anerkennung einer so unkonventionellen Beziehung hoffen.
Anna hat offenbar keine Lust mehr aufs Spielen und rennt zu ihrem Opa, um ihm bei der Planschbeckenbefüllung zu helfen, also lässt Alex den Ball fallen und kommt auf uns zu. Kati tauscht mit ihm die Plätze, um zu ihren Männern zu gehen.
„Du gefällst mir nicht, Kleine“, sagt er.
Ich mir auch nicht.
„Es ist alles in Ordnung“, sage ich halbherzig und beobachte, wie Paul Kati in seine Arme schließt. Eine Geste, die Jakob zum Strahlen bringt. Sofort tritt er hinter sie und legt sein Kinn auf ihre Schulter, um der intimen Unterhaltung beizuwohnen.
„Es tut mir leid“, sagt Alex leise.
„Was tut dir leid?“
„So vieles, Ela. Dass mein Bruder ein Schwein ist. Dass Anna nicht den Vater hat, den sie verdient. Dass ich dich da schon wieder reingezogen habe, obwohl ich es nicht ertrage, dich unglücklich zu sehen. Dass du dich allein fühlst.“
„Wie kommst du darauf?“
Alex lehnt sich zu mir und nimmt mein Kinn in die Hand, damit ich ihn anschaue. Ich will ihn berühren, doch je mehr ich das zulasse, desto schwieriger wird es, meine wahren Gefühle zu verbergen.
„Weil das da hinten“, er zeigt auf meinen Bruder und Anhang, „das ist ein Leben, was du dir für Anna und dich wünschst. Nicht unbedingt eine Beziehung zu dritt, aber diese Innigkeit und das Vertrauen. Jemanden zum Anlehnen. Du fühlst dich alleine und das tut mir unglaublich leid. Ich würde es ändern, wenn ich könnte.“
Das wünschte ich auch.
„Mama, Mama, Mama!!“ Mit Anlauf springt Anna auf meinem Schoß. Sie jagt mir damit einen riesigen Schrecken ein, weil ich überhaupt nicht bemerkt habe, dass sie auf mich zugelaufen ist. So sehr war ich auf
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