Unwiderstehlich untot
aber die enorme Hitze drohte trotzdem, mir die Haut zu verbrennen. Saunders hingegen schien sie gar nicht zu spüren.
»Sie genießen den Ruf, klug zu sein, Lord Mircea«, schnauzte er. »Machen Sie Gebrauch von Ihrem Verstand! Das Mädchen ist tot. Die Macht geht in diesem Moment auf eine andere Pythia über – auf eine, die ich kontrolliere! Das Spiel ist vorbei.«
Mircea ließ sich nicht zu einer Antwort herab, aber jemand anders nahm die Worte nicht einfach so hin. »Reginald! Sie unwürdiger, charakterloser, mörderischer Mistkerl! Sie könnten nicht einmal einen Fernseher mit einer Fernbedienung kontrollieren! Als Mitglied des Großen Rats fordere ich Sie heraus und bestreite Ihr Recht, den Kreis zu führen!« Marsden kam die Treppe herunter, und in seiner weißen Mähne knisterte es wie von statischer Elektrizität.
Saunders achtete nicht auf ihn. »Seien Sie nicht dumm, Mircea! Glauben Sie, nur Sie hätten sich auf dieses Treffen vorbereitet? Mehr als zweihundert Magier haben dieses Gebäude umstellt. Es wird Zeit, neu zu verhandeln!«
»Verhandeln Sie hiermit!«, erklang eine Stimme hinter mir. Ich drehte mich um und sah nur Dunkelheit, bis ich den Blick senkte. Ein großes Segelschiff schwebte dort mitten in der Luft. Der Bug hob und senkte sich, die Takelage knarrte… und Pritkin hing an der Seite. Er warf einen Zauber, der Saunders trotz seiner Abschirmung gegen die Wand schleuderte.
Ich glaube nicht, dass es sehr wehtat, aber der Ausdruck in seinem Gesicht war Gold wert. Leider konnte ich mich nur für eine Sekunde daran erfreuen, denn sofort eilten Saunders’ Leibwächter herbei und versperrten die Sicht. Natürlich setzten sich daraufhin Mirceas Vampire in Bewegung, um die Magier abzufangen, mit dem Ergebnis, dass es drunter und drüber ging.
Ich half Pritkin über die Reling des Schiffs, das auf unsichtbaren Wellen schaukelte. Wie der chinesische Kahn konnte es fliegend Ley-Linien erreichen und sie verlassen, und derzeit schien es noch an einer verankert zu sein: Eine dicke Kette reichte nach unten und verschwand im Nichts.
Ich sah ins Apartment zurück und beobachtete, wie Marsden seelenruhig durchs Kampfgewühl ging und Flüche nach rechts und links warf – sie landeten wie Hammerschläge auf Saunders’ Magiern. Ich begann mich zu fragen, ob Pritkin ihn nicht vielleicht unterschätzt hatte. Von den Magiern schien keiner besonders versessen darauf zu sein, gegen ihn anzutreten.
Einer versuchte, sich hinter einem anderen zu verbergen, der ihn zur Seite stieß und sich dann beeilte, aus der Schusslinie zu kommen. Der erste Bursche starrte Marsden an, der ihm ein freundliches Lächeln schenkte und ihn dann mit einem Fluch traf, der so stark war, dass es den Mann durch die Reste der Balkontür fegte. Der Typ flog an uns vorbei übers Geländer hinweg und landete auf der Reling des Schiffs. Wo er einen Tritt von einem Vampir in altmodischen Kapitänsklamotten bekam und seinen Flug fortsetzte.
Nachdem der Kapitän sein Deck von dem Magier gesäubert hatte, rief er einen Befehl, und das Schiff glitt fort vom Feuer. Ich konnte es ihm nicht verdenken. Ein Zauber nach dem anderen schwirrte aus dem Apartment und explodierte wie eine Feuerwerksrakete.
Ich duckte mich, um sprühenden Funken zu entgehen, und Pritkin ergriff mich am Arm. »Du musst weg von hier!«
»Ich? Was ist mit dir? Du hast meinen Körper!«
»Mach dir keine Sorgen um mich!«
»Das ist auch gar nicht nötig, weil Sie nicht hier sein werden«, sagte Mircea, der plötzlich neben uns erschien. Sein Haar hatte sich gelöst, und von einer langen Strähne stieg Rauch auf. Ich drückte die Glut mit den Fingern aus, was mich angesichts des Großbrands hinter uns aber nicht sonderlich befriedigte.
Pritkin schien ähnlich zu empfinden. »Sie sind zahlenmäßig unterlegen und brauchen Hilfe!«
»Und wie viel Hilfe können Sie in Ihrem gegenwärtigen Zustand leisten?«, fragte Mircea und winkte das Schiff zu uns zurück. »Mehr als Sie, Vampir! Hier geht alles in Flammen auf?«
»Lassen Sie das meine Sorge sein. Ihre Aufgabe besteht darin, Cassandra in Sicherheit zu bringen und eine Möglichkeit zu finden, in Ihren Körper…«
Den Rest des Satzes hörte ich nicht, denn ich wurde von einem Zauber getroffen, hochgehoben und in die Leere geworfen. Es ging so schnell, dass ich gar nicht richtig begriff, was geschah – bis ich fiel. Nur einen Meter entfernt glitt die Seite des Gebäudes nach oben, die Fenster verschwammen zu einer
Weitere Kostenlose Bücher