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Unwiederbringlich

Unwiederbringlich

Titel: Unwiederbringlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Pentz und Holk und Erichsen folgten im zweiten Wagen. Als man Klampenborg passierte, war das Offizierszelt auch in seiner Front mit Segeltüchern geschlossen, und nur aus einem schmalen Spalt ergoß sich ein Lichtstreifen auf den dunklen Vordergrund. Einzelnes aus einer Rede, die gerade gehalten wurde, trug der Wind herüber, und nun schwieg auch das, und nur zustimmende Rufe klangen noch in den Abend hinaus.
     
Fünfzehntes Kapitel
     
    Die Rückfahrt war ohne weitere Zwischenfälle verlaufen, aber natürlich nicht ohne Medisance, darin sich Ebba nicht leicht zuviel tun konnte. Die Geschichte mit den »Rosenbergs« und den verschiedenen Verzweigungen der Familie war ihr dabei das denkbar glücklichste Thema. »Der arme Graf«, sagte sie, »das muß wahr sein, er geht allem so gründlich auf den Grund. Natürlich, dafür ist er ein Deutscher, und nun gar bei genealogischen Fragen, da kommt er aus dem Bohren und Untersuchen gar nicht mehr heraus. An jeden Namen knüpft er an, und wenn ich zum Unglück auf den Namen Cordelia getauft worden wäre, so biet ich jede Wette, daß er sich ohne weiteres nach dem alten Lear bei mir erkundigt haben würde.« Die Prinzessin gab Ebba einen Zärtlichkeitsschlag auf die Hand, der mehr ermutigte als ablehnte, und so fuhr diese denn fort: »Er hat etwas von einem Museumskatalog mit historischen Anmerkungen, und ich sehe noch sein Gesicht, als Königliche Hoheit von Tycho de Brahe sprachen und nach der Insel Hveen hinüberzeigten; er war ganz benommen davon, und seine Seele drängte sichtlich nach einem Gespräch über Weltsysteme. Das wäre so was für ihn gewesen, zurück bis Ptolomäus. Gott sei Dank kam etwas dazwischen, denn, offen gestanden, Astronomie geht mir noch über Genealogie.«
     
    Auch der folgende Tag verlief unter ähnlichem Geplauder, was übrigens nicht hinderte, daß Holk, von seiten der Damen, einem allerfreundlichsten Entgegenkommen begegnete, so freundlich, daß es ihm nicht bloß schmeichelte, sondern ihn auch in die denkbar beste Stimmung versetzte.
    Diese Stimmung nahm er dann mit nach Haus, in seine behagliche Hansensche Wohnung, und als er tags darauf bei seinem Frühstücke saß, kam ihm das prickelnd Anregende des Kopenhagener Hoflebens so recht aufs neue zum Bewußtsein. Wie öde waren daneben die Tage daheim, und wenn er sich dann vergegenwärtigte, daß er sich innerhalb zehn Minuten an den Schreibtisch zu setzen und über die gehabten Eindrücke nach Holkenäs hin zu berichten habe, so erschrak er fast, weil er fühlte, wie schwer es sein würde, den rechten Ton dafür zu finden. Und doch war dieser Ton noch wichtiger als der Inhalt, da Christine zwischen den Zeilen zu lesen verstand.
    Er überlegte noch, als es klopfte. »Herein.« Und Frau Kapitän Hansen trat ein, diesmal nicht die Mutter, sondern Brigitte, die Tochter. Er hatte sie seit dem Abend seiner Ankunft kaum wiedergesehen, aber ihr Bild war er nicht losgeworden, selbst nicht in den Gesprächen mit Ebba. Brigittens Erscheinung in diesem Augenblicke verriet eine gewisse herabgestimmte Grandezza, darin das auf Hochgefühl Gestellte dem Gefühl ihrer Macht und Schönheit, das Herabgestimmte der Einsicht ihrer bescheidenen Lebensstellung entstammte, bescheiden wenigstens, solange der Graf der Mieter ihres Hauses war. Ohne mehr als einen kurzen Morgengruß zu bieten, schritt sie gerade und aufrecht und beinahe statuarisch bis an den Tisch heran und begann hier das Frühstücksservice zusammenzuschieben, während sie das mitgebrachte große Tablett, die Brust damit bedeckend, noch immer in ihrer Linken hielt. Holk seinerseits hatte sich inzwischen von seinem Fensterplatz erhoben und ging ihr entgegen, um ihr freundlich die Hand zu reichen.
    »Seien Sie mir willkommen, liebe Frau Hansen, und wenn Ihre Zeit es zuläßt...«, und dabei wies er mit verbindlicher Handbewegung auf einen Stuhl, während er selbst an seinen Fensterplatz zurückkehrte. Die junge Frau blieb aber, das japanische Tablett nach wie vor schildartig vorhaltend, an ihrer Stelle stehen und sah ruhig und ohne jeden Ausdruck von Verlegenheit nach dem Grafen hinüber, von dem sie sichtlich ein weiteres Wort erwartete. Diesem konnte nicht entgehen, wie berechnet alles in ihrer Haltung war, vor allem auch in ihrer Kleidung. Sie trug dasselbe Hauskostüm, das sie schon am ersten Abend getragen hatte, weit und bequem, nicht Manschetten, nicht Halskragen, aber nur deshalb nicht, weil all dergleichen die Wirkung ihrer selbst nur

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