Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unwiederbringlich

Unwiederbringlich

Titel: Unwiederbringlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
gemindert hätte. Denn gerade ihr Hals war von besonderer Schönheit und hatte, sozusagen, einen Teint für sich. Dieselbe Berechnung zeigte sich in all und jedem. Ihre weite Schoßjacke mit losem Gürtel von gleichem Stoff schien ohne Schnitt und Form, aber auch nur, um ihre eigenen Formen desto deutlicher zu zeigen. In ihrer Gesamterscheinung war sie das Bild einer schönen Holländerin, und unwillkürlich sah Holk nach ihren Schläfen, ob er nicht die herkömmlichen Goldplatten daran entdecke.
    »Sie ziehen vor«, nahm er, als sie seinem Blick unausgesetzt begegnete, wieder das Wort, »Sie ziehen vor, sich nicht zu setzen und in ganzer Figur zu bleiben, und Sie wissen sehr wohl, meine schöne Frau Brigitte, was Sie dabei tun. Wirklich, wenn ich bei Gelegenheit der Reise von Shanghai nach Bangkok – von der mir Ihre Frau Mutter gestern erzählte – der Kaiser von Siam gewesen wäre, so wäre das mit dem Thronsessel vor dem Palast alles sehr anders angeordnet worden, und Sie hätten, statt zu sitzen, was nie kleidet, neben dem Thronsessel gestanden und nur Ihren Arm auf die weiße Elfenbeinlehne gelehnt. Und da hätte sich's dann zeigen müssen, wer Sieger bliebe, das Elfenbein oder der Arm der schönen Frau Hansen.«

    »Ach«, sagte Brigitte mit gut aufgesetzter Verlegenheit, »die Mutter spricht immer davon, als ob es etwas Besonderes gewesen wäre. Und es war doch bloß Spielerei.«
    »Ja, Spielerei, Frau Brigitte, weil es in Siam war. Aber wir sind nicht immer in Siam. Und nur das haben wir in unserem guten Kopenhagen auch, daß wir ein Auge haben für die Schönheit. Und wer es am meisten und in seiner hoben Stellung auch wohl am eindringlichsten hat... Aber es ist nicht nötig, Namen zu nennen, liebe Frau Kapitän Hansen, und ich bewundere nur Ihren teueren Gatten, von dem ich soviel Rühmliches gehört habe...«
    »Von Hansen. Ja. Nun, der kennt seine Brigitte«, sagte sie, während sie das Auge schamhaft niederschlug.
    »Er kennt Sie, liebe Frau Hansen, und weiß, welches unbedingte Vertrauen er Ihnen entgegenbringen darf. Und ich möchte sagen, ich weiß es auch. Denn wenn Schönheit einerseits eine Gefahr ist, so ist sie doch kaum weniger auch ein Schild«, und dabei glitt sein Auge nach dem Tablett hinüber. »Es genügt ein Blick auf Ihre weiße Stirn, um zu wissen, daß Sie den Schwächen Ihres Geschlechts nicht unterworfen sind...«
    Frau Brigitte schwankte, wie sie sich zu diesen Auslassungen stellen solle; plötzlich aber wahrnehmend, daß Holks Auge leise hin und her zwinkerte, war es ihr klar, daß Pentz oder Erichsen oder vielleicht auch beide gesprochen haben müßten, und so ließ sie denn die Komödie der Würdigkeit fallen und begegnete seinem Lächeln mit einem Lächeln des Einverständnisses, während sie, wie gleich am ersten Abend, den linken Ellbogen, so daß der weite Ärmel zurückfiel, auf den hohen Kaminsims stützte.
    Das wäre nun sicher der geeignete Moment gewesen, dem Gespräch eine Wendung zur Intimität zu geben; Holk zog es aber vor, wenn auch scherzhaft und ironisch, sich vorläufig noch auf den Sittenvormund hin aufzuspielen, und sagte: »Ja, liebe Frau Hansen, daß ich es noch einmal sage, nicht unterworfen den Schwächen Ihres Geschlechts. Dabei bleibt es. Und doch möcht ich die Stimme des Warners erheben dürfen. Es ist, wie ich mir schon anzudeuten erlaubte, immer gefährlich, in einer Stadt zu leben, wo die Könige den ausgesprochenen Sinn für die Schönheit haben. Der Liebe dieser Mächtigen der Erde läßt sich vielleicht widerstehen, aber nicht ihrer Macht... Und was die Gräfin Danner angeht, mit der vorläufig freilich noch zu rechnen ist, nun, sie wird doch am Ende nicht ewig leben...«
    »O doch.«
    »Nun, so stirbt vielleicht die Neigung ihres königlichen Anbeters...«
    »Auch das nicht, Herr Graf. Denn die Danner hat einen Zauber, und man hört darüber so dies und das.«
    »Kann man es nicht erfahren?«
    »Nein. Meine Mutter sagt zwar immer: ›Höre, Brigitte, du sagst auch alles‹; aber das mit der Danner, das ist doch zuviel.«
    »Nun, dann werd ich Baron Pentz fragen.«
    »Ja, der kann es sagen, der weiß es... Einige sagen, sie habe den Schönheitsapfel, ich meine die Danner; aber das ist nicht der große Zauber, den sie hat, das ist höchstens der kleine...«
    »Glaub ich unbedingt. Und überhaupt, offen gestanden, ich weiß nicht, was immer der Apfel soll. Er ist mir immer halb unverständlich erschienen. Unter Kirschen kann ich mir etwas denken,

Weitere Kostenlose Bücher