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Unwiederbringlich

Unwiederbringlich

Titel: Unwiederbringlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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aber Apfel...«
    »Ich weiß doch nicht, Herr Graf«, sagte Brigitte, während sie die Schoßjacke glatt zog, um ihrer Figur die rechte Linie zu gehen. »Ich weiß doch nicht, ob Sie darin recht haben...« Und einmal angelangt auf dieser abschüssigen Ebene, schien sie durchaus geneigt, das Thema weiter fortzuführen. Aber ehe sie dazu kommen konnte, hörte sie, von der Treppe her, den halblauten Ruf: »Brigitte«.
    »Das ist die Mutter«, sagte sie verdrossen und stellte das Geschirr auf das Tablett. Dann aber, sich würdevoll verneigend, als ob Staats- und Kirchenfragen zwischen ihnen verhandelt worden wären, verließ sie das Zimmer.
     
    Holk, als Brigitte die Tür ins Schloß gedrückt hatte, schritt auf und ab, sehr verschiedenen Gefühlen hingegeben. Er war nicht unempfindlich gegen die Schönheit und Koketterie dieser berückenden Person, die wie geschaffen schien, allerlei Verwirrungen anzurichten; aber daß sie den Willen dazu so deutlich zeigte, das minderte doch auch wieder die Gefahr. Allerlei Widersprechendes bekämpfte sich in ihm, bis endlich seine gute Natur den Sieg gewann und ihm die Kraft gab, das während dieser Tage Erlebte mit einem gewissen darüberstehenden Humor zu betrachten. Und damit war denn auch die Stimmung gewonnen, nach Holkenäs hin zu schreiben und seinen ersten Zeilen, in denen er nur seine Ankunft angezeigt hatte, einen längeren Brief folgen zu lassen. Einen Augenblick erschrak er freilich wieder vor der Menge dessen, was zu berichten war, denn unter dem, was ihm fehlte, war auch die Briefschreibepassion. Endlich aber nahm er seinen Platz an dem Zylinderbureau, schob die Bogen zurecht und schrieb.
     
    »
Kopenhagen
, 3. Oktober 1859
    Dronningens Tvergade 4
     
    Meine liebe Christine. Die wenigen Zeilen, in denen ich Dir meine glückliche Ankunft meldete, wirst Du erhalten haben; es ist Zeit, daß ich nun ein weiteres Lebenszeichen gebe, und wie ich glücklicherweise gleich hinzusetzen darf, ein Zeichen meines Wohlergehens. Laß mich mit dem Nächstliegenden, mit meiner Wohnung bei der Witwe Hansen, beginnen. Es ist alles, wie's früher war, nur eleganter, so daß man deutlich sieht, wie sich ihre Verhältnisse gehoben haben. Vielleicht ist alles dem Umstande zuzuschreiben, daß sie jetzt mit ihrer Tochter, ebenfalls einer Frau Kapitän Hansen (die früher ihren Mann auf seinen Chinafahrten begleitete), zusammenwohnt. Es stehen dadurch wohl größere Mittel zur Verfügung. Frau Kapitän Hansen ist eine schöne Frau, so schön, daß sie dem Kaiser von Siam vorgestellt wurde, bei welcher Gelegenheit sie zugleich der Gegenstand einer siamesischen Hofovation wurde. Sie hat eine statuarische Ruhe, rotblondes Haar (etwas wenig, aber sehr geschickt arrangiert) und natürlich den Teint, der solch rotblondes Haar zu begleiten pflegt. Ich würde sie Rubensch nennen, wenn nicht alles Rubensche doch aus gröberem Stoffe geschaffen wäre. Doch lassen wir Frau Kapitän Hansen. Du wirst lachen, und darfst es auch, über das Interesse, das aus dem Vergleich mit Rubens zu sprechen scheint. Und Rubens noch übertroffen! Ich war gleich am ersten Abend bei Vincents auf dem Kongens Nytorv, wohin ich durch Pentz und Erichsen abgeholt wurde. Viele Bekannte gesehen – auch de Meza, der von Jütland herübergekommen war –, aber niemanden gesprochen, was in einer großen politischen Aufregung, die ich hier vorgefunden, seinen Grund hat. Hall soll gestürzt und Rottwig an seine Stelle gesetzt werden. Natürlich nur Übergangsministerium, wenn es überhaupt glückt, was auch noch die Frage. Lies die Berichte, die ›Dagbladet‹ bringt, sie sind ausführlicher und minder parteiisch als die von ›Flyveposten‹. Am andern Vormittage war ich bei der Prinzessin, um mich ihr vorzustellen. Ihr Benehmen gegen mich genau dasselbe wie früher; sie kennt meinen abweichenden politischen Standpunkt, aber sie verzeiht es mir, daß ich mehr für das alte Dänemark bin als für das neue. Meiner Loyalität ist sie sicher und meiner Anhänglichkeit an ihre Person doppelt und dreifach. Das läßt sie vieles übersehen, wenigstens solange der König lebt und von einer ernsten politischen Krise keine Rede sein kann. So sind wir in der angenehmen Lage, auf einem völligen Friedensfuße miteinander verkehren zu können.
    In der Umgebung der Prinzessin hat sich nichts geändert, fast zuwenig. Alles ist bequem und behaglich, aber doch zugleich auch ergraut und verstaubt; die Prinzessin hat kein Auge dafür, und Pentz, der

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