Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unwiederbringlich

Unwiederbringlich

Titel: Unwiederbringlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
wissen. Und war klug genug gewählt. ›Täubchen‹, Täubchen von Amsterdam – kann man sich etwas Unschuldigeres denken?«
    Holk konnte nur bestätigen; Pentz aber, der nicht bloß ein lebendiges Nachschlagebuch für die hauptstädtische Chronique scandaleuse, sondern ganz besonders auch für die Liebesgeschichten alter und neuer Könige war, war nicht unfroh, ein Thema, das er ausgiebig beherrschte, weiter ausspinnen zu können. »Es ist was ganz Eigenes mit dieser Düveke-Geschichte. Sie wissen, daß sie durch rote Kirschen vergiftet sein soll. Aber so oder so, die Geschichte war schon so gut wie halb vergessen, und man zerbrach sich nicht sonderlich den Kopf mehr über die Düveke, hielt es vielmehr mit anderen, nicht ganz so weit abliegenden Vorbildern, als mit einem Male unsere gute Putzmacherin Rasmussen in eine dänische Gräfin umgebacken wurde. Und wollen Sie mir's glauben, Holk, von dem Tage an ist all das alte Zeug wieder lebendig geworden, und alles, was in Dänemark ein paar rote Backen hat oder gar so hübsch ist wie diese Frau Brigitte mit dem ewig müden Augenaufschlag, das will nun wieder ›Düveke‹ werden und sich adeln lassen und eine Strandvilla haben und legt die Hände in den Schoß und putzt sich und wartet. Und dabei denken alle, wenn nicht der König kommt, unser allergnädigster Matrosenkönig Friedrich der Siebente – denn soviel sehen sie wohl, die Danner weiß ihn zu halten und muß einen Charme haben, den der Rest der Menschheit noch nicht entdecken konnte –, wenn, sag ich, der König nicht kommt, so kommt ein anderer, so kommt Holk oder Pentz, wobei Sie mir verzeihen müssen, daß ich mich so ohne weiteres an Ihre Seite dränge. Nein, Holk, nichts von Spelunke. Diese schöne Capitana, deren Mann ich übrigens nicht beneide, beiläufig soll er immer unter Rum stehen, ist nicht schlimmer als andere, nur ein bißchen gefährlicher ist sie, weil sie schöner ist, mit ihrem Rotblond und der Welljacke, die nirgends schließt. Ihrer Ritterlichkeit, lieber Holk, brauch ich es übrigens nicht erst anzuempfehlen, daß Sie darauf verzichten, diese Ärmste...«

    »Spotten Sie nur, Pentz. Aber Sie gehen durchaus in die Irre und vergessen, daß ich fünfundvierzig bin.«
    »Und ich, lieber Holk, bin fünfundsechzig. Und wenn ich danach die Berechnung mache, so kann es um Sie, beziehungsweise um die schöne Brigitte, gerade noch schlecht genug stehen.«
    Er wollte sichtlich in diesem Tone noch weitersprechen, aber im selben Augenblicke trat ein Kammerdiener aus den Gemächern der Prinzessin und meldete, daß Königliche Hoheit die Herren zu sprechen wünsche.
     
    Pentz und Holk traten ein. Die Prinzessin hielt ein Zeitungsblatt in der Hand und war augenscheinlich nicht bloß in Erregung, sondern in geradezu schlechter Laune. Sie warf das Blatt beiseite, und statt der sonst üblichen gnädigen Begrüßung erfolgte nur die Frage: »Haben Sie schon gelesen, meine Herren?«
    Holk, dem als einem halben Fremden keine besondere Leseverpflichtung oblag, blieb ruhig; Pentz aber kam in Verlegenheit, um so mehr, als er neuerdings öfters auf solchen Unterlassungssünden ertappt worden war. Diese sehr sichtbare Verlegenheit stellte aber die gute Stimmung der Prinzessin sofort wieder her. »Nun, lieber Pentz, erschrecken Sie nicht zu sehr und lassen Sie mich zu Ihrer Beruhigung sagen, daß mir, im langen Laufe der Jahre – und nach solchen müssen wir doch nachgerade rechnen –, ein Mann der Trüffel-und Wildbretpastete wie Sie viel, viel lieber ist als ein Mann der Politik und des Zeitungsklatsches oder gar der Zeitungsmalice. Denn mit einer solchen haben wir's hier zu tun. Es wird zwar ein Handelshaus vorgeschoben, noch dazu ein Handelshaus in Kokkegarde, aber es bedarf nicht vieler Einsicht und Vertrautheit, um die Personen zu erraten, die diesen Skandal in Szene gesetzt haben.«
    In Pentz' Gesicht verschwand der Ausdruck der Verlegenheit, und der der Neugierde trat an seine Stelle. »Mutmaßlich Unpassendheiten über die Gräfin...«
    »O nein«, lachte die Prinzessin herzlich. »Unpassendheiten über die Gräfin gibt es erstlich überhaupt nicht, und wenn Sie das Muster eines Kammerherrn wären, Gott sei Dank sind Sie's nicht, so würden Sie meinen Ihnen wohlbekannten Gefühlen für die Gräfin etwas ausgiebiger Rechnung tragen. Aber so sind Sie, Baron, und vergessen im Hinblick auf das Frühstück, wenn Sie's nicht schon genommen, daß ein Pasquill über die Danner meine gute, nicht aber meine

Weitere Kostenlose Bücher